Erzdiözese München und Freising
Fachbereich Weltanschauungsfragen
Informationen zu religiösen und weltanschaulichen Strömungen

Sinnstiftung

Gerald Hüther und die Sinn-Stiftung

Die neurowissenschaftliche Revolution und ihre Kinder

 

Vor einigen Jahren ist die Sinn-Stiftung angetreten, um auf der Grundlage moderner neurowissenschaftlicher Erkenntnisse das Bildungssystem nachhaltig zu verändern. Vor allem durch die mediale Präsenz ihres Präsidenten Prof. Dr. Gerald Hüther expandiert das Netzwerk nicht nur, sondern es werden Konzepte erstellt, die alle Bereiche des Lebens nachhaltig optimieren helfen sollen. Doch je bekannter die Protagonisten werden, je weitreichender die Forderungen und plakativer die Schlagzeilen, desto weniger scheint hinterfragt zu werden, wie weit eigentlich die Begründungen tragen, die für die generellen Abrechnungen angeboten werden. Die nachfolgende Abhandlung setzt sich daher – nach einer kurzen Hinführung- kritisch mit der Sinn-Stiftung, deren Aktivitäten und Thesen auseinander und legt dar, warum die Erzdiözese München-Freising jegliche Kooperationen mit der Sinn-Stiftung untersagt hat (vgl. Note im Amtsblatt 2013 und auf der Homepage des Fachbereichs Weltanschauungsfragen). Ausdrücklich sei betont: Dies ist nicht der Ort der kritischen Auseinandersetzung mit „den“ Neurowissenschaften![1]

Als im Jahre 1990 die amerikanische Regierung unter George H.W. Bush die Dekade des Gehirns ausrief (Presidential Proclamation 6158 vom 17.07.1990), konnte wohl niemand von den interessierten Laien erahnen, welchen Siegeszug die Hirnforschung einmal antreten würde. Mittlerweile aber kommt man an den Neurowissenschaften nicht mehr vorbei, wenn man als seriöser Wissenschaftler wahrgenommen werden möchte: Viele Bereiche der Wissenschaft, nicht nur der reinen Forschung, etablieren zumindest neurowissenschaftliche Zweige. Welche Chancen sich etwa für Psychologie oder Medizin ergeben, ist heute eigentlich noch kaum absehbar – zu groß und weitreichend sind die Fortschritte in der Forschung. Sicher ist nur, dass wir in Mitten eines weitreichenden Paradigmenwechsels stehen, der in Verbindung mit der Genforschung, der Verhaltensgenetik oder der Soziobiologie unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit, ja vielleicht von Mensch und Lebewesen im Allgemeinen nachhaltig verändern wird.[2] Es verwundert daher nicht, dass derzeit in den Vereinigten Staaten eine Art zweite Dekade des Gehirns ausgerufen wird; im Rahmen der Initiative „Brain“ will Präsident Obama neue Impulse setzen sowohl zur Erforschung des Gehirns wie zur Koordination verschiedener Forschungsprojekte. Aber auch in Europa initiiert man gerade ein milliardenschweres Projekt.[3]

„In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat die neurowissenschaftliche Forschung enorm viel über Aufbau und Funktion des Gehirns gelernt. Anatomen, Psychologen, Mediziner, Biologen in verschiedensten, teils hochspezialisierten Forschungsrichtungen entdecken tagtäglich neue erstaunliche Dinge über den Kosmos im Kopf. So versteht man inzwischen ansatzweise, wie das Gedächtnis funktioniert, blickt tief in die geheimnisvolle Welt der Emotionen, ergründet die überraschenden Prinzipien der Wahrnehmung. Gleichzeitig stellen uns viele Erkenntnisse vor völlig neue Fragen: Gibt es überhaupt einen freien Willen? Ist es ethisch vertretbar, Erinnerungen zu löschen? Kann und darf man dem Denkvermögen mit Medikamenten auf die Sprünge helfen? Kurz: Die Hirnforschung schafft Wissen, das unser Leben, unser Selbstverständnis verändert – und in Zukunft weiter verändern wird.“ (http://dasgehirn.info/about_us/die-idee-1/ 18.02.13)

 

Neurowissenschaft als empirische Disziplin mit Zukunftspotential

Die Neurowissenschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem beeindruckenden Wissenschaftszweig entwickelt. Die Forschung liefert nicht nur faszinierende Einsichten in immer fundamentalere Zusammenhänge des Lebens, sondern sie prägt zugleich auch alle anderen Wissenschaften mit neuen Fragestellungen und Herangehensweisen. Ernst zu nehmendes wissenschaftliches Forschen und Denken ist daher in zahlreichen Bereichen ohne Berücksichtigung neurowissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse nicht möglich. Dies gilt nicht nur für die so genannten Life Sciences, sondern zugleich auch für die meisten geisteswissenschaftlichen Fächern. Damit sprengen die naturwissenschaftlich geprägten Neurowissenschaften das oftmals hermetische Denken einzelner Wissenschaftszweige; so müssen sich beispielsweise Psychologie, Philosophie, Anthropologie oder Pädagogik selbstverständlich in den Diskurs begeben, aber auch grundlegende Disziplinen der Theologie stehen vor neuen Herausforderungen, die derzeit jedoch zumeist eher ignoriert werden.

Neben dem engen wissenschaftlichen Forschungsbereich etabliert sich wohl aufgrund des sich wandelnden Wissenschaftsmarktes das Thema Neurowissenschaft immer unübersehbarer im medial aufbereiteten Diskurs. Vermittelt über einschlägige Zeitschriften (z.B. Gehirn und Geist), Wissenschaftssendungen in Radio und Fernsehen, natürlich über Beiträge im Internet (z.B. http://www.bbc.com/future/sections/health/brain) aber auch durch Berichte in Tageszeitungen (z.B. FAZ) kommt bald kein Thema mehr ohne den Hinweis auf neurowissenschaftliche Erkenntnisse aus. Täglich werden neue Zusammenhänge entdeckt und Konsequenzen gefordert auf der vermeintlichen Grundlage empirischer Beweise. Es erstaunt daher nicht, wie populärwissenschaftliche Veröffentlichungen den Markt erobern. So kann der Ratsuchende zum Beispiel mit der „Neurostrategie® für Unternehmer“ lernen, wie man erfolgreich auf Kundenakquise geht. Wie sich der Schulerfolg einstellt, ist in einem Handbuch nachzulesen. Natürlich lernt man sozial kompetent zu leben, wenn man erst versteht, wie unser Gehirn funktioniert und schließlich kann der Blick ins Gehirn auch den Ursprung des Verbrechens entlarven – mit ungeahnten Folgen für Kriminalprävention und Kriminalistik.[4]

Liegt es am angespannten Buchmarkt, dass selbst wissenschaftsaffine Verlage populärwissenschaftliche Werke verlegen, dass Autoren, die es eigentlich aufgrund ihrer Profession besser wissen müssten, wie weit die Flügel der neurowissenschaftlichen Forschung tatsächlich tragen, z.T. illustre Werke auf den Markt bringen? Wer könnte es ihnen auch verdenken, wenn sie die Möglichkeiten erhalten, die technisch hochgerüsteten Laboratorien mit ihren EEGs und fMRTs zu verlassen und allen Menschen auf der Grundlage einer unbezweifelbare Datenmenge die Welt zu erklären suchen – die Welt, den Menschen und natürlich wie Leben überhaupt gelingen kann.[5] Gerade in Zeiten, wo dem Individuum schmerzlich bewusst wird, dass gar nichts mehr sicher ist, weder das Geld auf der Bank noch Werte und Traditionen, die zumindest gefühlt eine Ewigkeit Bestand hatten und heute genauso gewählt oder abgewählt gehören wie alle anderen Bereiche des Lebens auch und nur noch funktionieren, wenn man sich – bewusst oder unbewusst – für das eine und gegen etwas anderes entscheidet (erinnert sei an Peter L. Bergers Buch "Der Zwang zur Häresie" von 1992), gerade in diesen Zeiten kommt die Verheißung einiger Neurowissenschaftler wie gerufen: endlich gibt es den archimedischen Punkt, der im Strom des Vagen und Unberechenbaren nicht nur sicheren Halt und einen festen Ausgangspunkt zu bieten scheint, sondern auch Richtung und Ziel vorzugeben vermag.

Epistemologisch gesehen stehen die Veröffentlichungen zur angewandten Neurowissenschaft damit in der Tradition des (positivistischen) Empirismus, der heute in nahezu allen Wissenschaftszweigen die grundlegende erkenntnistheoretische Option darstellt. Die geisteswissenschaftliche Theoriebildung und das philosophische Nachdenken erfahren dagegen zumeist nur noch in historischen Abhandlungen oder als vorsichtig-zurückhaltende Interpretation empirisch-statistischer Erhebungen Anerkennung. Ohne großes Aufsehen bahnt sich ein Paradigmenwechsel an, der durch die neurowissenschaftliche Methodik verstärkt wird. Mittlerweile ist „die“ Neurowissenschaft so etabliert, scheint das Vertrauen in die Erkenntnisse so überwältigend zu sein, dass ein kritisches Hinterfragen oftmals gar nicht mehr in den Sinn kommt. Aber warum sollte man auch? Schließlich sind es anerkannte Wissenschaftler wie Prof. Dr. Gerhard Roth, Prof. Dr. Manfred Spitzer oder Prof. Dr. Hans Markowitsch, die mit einer Vielzahl von Veröffentlichungen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Man müsste doch ein Tor sein, Zweifel an den behaupteten Zusammenhängen anzumelden, wenn doch die Aktivitäten einzelner Nervenzellen oder ganzer Hirnareale auf die Millisekunde genau festgehalten und sichtbar gemacht werden können. Auch dies scheint ein Grund für den Siegeszug neurowissenschaftlich ausgerichteter Ratgeber und Handbücher zu sein: nicht nur die Sehnsucht nach end-gültiger, unbezweifelbarer Sicherheit, sondern die Überzeugung, dass nur das, was sinnlich-mathematisch erweisbar ist, auch wirklich, also real ist. Treibt es die einen Zeitgenossen angesichts der Unübersichtlichkeit des Lebens in fundamentalistische Optionen, flüchten die anderen in eine anscheinend wissenschaftlich fundierte Sicherheit.

 

Die Neurowissenschaften

Begriffe wie „Neuro“ oder „(Ge)Hirn“ tauchen als Vorsilben in allen denkbaren Zusammenhängen auf und peppen nicht nur das jeweilige Fachgebiet auf sondern suggerieren Wissenschaftlichkeit mit Beweiskraft. Dabei sind im öffentlichen Diskurs hauptsächlich die populärwissenschaftlichen Spielarten präsent, die mit Schlagworten wie Neuroplastizität, Spiegelneuronen oder Myelinisierung die fulminanten Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte zu Markte tragen und neue angewandte „Bindestrichwissenschaften“ (Heinemann) hervorbringen, beispielsweise Neuro-Coaching, Neuro-Marketing, Neuro-Politik, Neuro-Kriminalistik oder Neuro-Tuning.

Das Lehrbuch der Neurowissenschaften (Bear u.a. (2009)) nennt dagegen als Aufgabe der Neurowissenschaften ganz bescheiden das Ziel, „zu erkennen, wie das Nervensystem funktioniert“ (S. 24) und unterscheidet 5 Ebenen der Analyse: Molekulare, zelluläre, systemische und verhaltensorientierte Forschung, schließlich die Kognitive Neurowissenschaft, die als der Bereich mit den größten Herausforderungen vorgestellt wird. Selbstredend muss umso größere Vorsicht und Zurückhaltung bei der Abfassung von Hypothesen walten, je größer die jeweils untersuchte Einheit ist, da mit steigender neuronaler Komplexität auch die Möglichkeiten der synaptischen Verschaltungen exponentiell steigen.[6] Doch selbst wenn die Untersuchungsmethoden in den kommenden Jahren größte Fortschritte machen, bleiben viele neurophysiologische respektive neuropsychologische Fragen und Probleme deshalb noch immer ungeklärt. Außerdem fehlt auch nur annähernd ein allgemein anerkanntes Konzept, wie der prinzipielle Sprung von quantitativ messbaren Aktivitäten im Gehirn zu den qualitativen Gedanken, die der Mensch „hat“, vorstellbar sein könnte, wie die weltweit geführten Diskussionen von Philosophie und Neurowissenschaft um das so genannte Geist-Gehirn-Problem eindrücklich belegen.[7]

Muss es da nicht verwundern, wenn angesichts dieser hier nur angedeuteten Schwierigkeiten und Ungenauigkeiten die weitreichenden Behauptungen und provokanten Forderungen – zumindest in der populärwissenschaftlichen Variante – der Neurowissenschaften so wenig auf kritischen Widerspruch stoßen?[8] Warum gibt es augenscheinlich so wenige fachspezifische Diskussion innerhalb der Disziplinen selbst über Forschungsstand und Reichweite der neurowissenschaftlichen Aussagen? Vielleicht wird ja die jüngst im Fachmagazin Nature Reviews Neuroscience veröffentlichte Studie von Katherine Button und Marcus Munafo eine klärende Fachdiskussion eröffnen, die unter anderem zur Klärung der Reichweite neurowissenschaftlicher Aussagen führt und damit hilft, wissenschaftlich seriös begründbare Aussagen von Meinungsäußerungen zu unterscheiden.[9]

 

Ein erstes Resümee

Die neurowissenschaftliche Forschung hat in den vergangenen Jahrzehnten enorme Erkenntnisfortschritte für viele Bereiche des Lebens hervorgebracht und kann wohl mit Recht als eine der einflussreichen naturwissenschaftlichen Leitdisziplinen bezeichnet werden. Es entspricht unserer ethischen Verpflichtung, im Dienst am Leben (d.h. im Dienst an Mensch, Tier und Pflanzenwelt) unsere Möglichkeiten (wie Vernunft, Wissenschaft und Technik) zu nutzen, immer mit dem Ziel, die Gesellschaft menschlicher zu machen und die Schöpfung zu bewahren.

Aber zugleich sollte auch klar sein, dass das Streben des Menschen nach Verstehen und Begreifen, die Optimierung der Lebensbedingungen kein rein naturwissenschaftlich-technisches Unterfangen ist. Es bedarf immer auch Werturteile und Haltungen, Erfahrung und Intuition. Dies gilt in Erinnerung zu rufen, wo immer man Erkenntnisse aus dem Labor und dem Kernspin für Mensch und Gesellschaft fruchtbar machen möchte. Eine 1:1 – Übertragung ist nicht möglich – so schön das natürlich wäre und so gerne mancher Wissenschaftler uns das gerne glauben machen möchte. Je weitreichender die Konsequenzen sind, die man aus den beobachteten Aktivitäten auf molekularer oder zellulärer Ebene zieht, desto vorsichtiger hat man zu sein, desto stärker ist man auf weitere, nicht spezifisch neurowissenschaftliche Erkenntnisse angewiesen. Insbesondere, wenn Neurowissenschaft zu erforschen sucht, wie menschliches Verhalten und Bewusstsein „funktionieren“, wie sich unsere Stimmungen regulieren oder ob es einen freien Willen gibt, inwiefern „Gott“ nicht eine Chiffre ist für eine genetisch bestimmte Aktivität im Frontallappen unseres Gehirns, sind die Grundlagen und philosophischen Voraussetzungen der Argumentation kritisch zu prüfen, ob nicht eine eindimensionale Logik und unzulässige Fehlschlüsse die vermeintlich eindeutigen Ergebnisse erklären.[10]

Zweifel gegenüber den Ergebnissen der Forschung bestehen also prinzipiell nicht. Wohl aber erscheint eine kritische Zurückhaltung angebracht, wenn von basalen Aktivitäten in den neuronalen Netzen auf weitreichende Konsequenzen für Bildungskonzepte, letztlich für Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Staat rekurriert wird.

 

Neurowissenschaft und Pädagogik – eine selbstverständliche Allianz!?

Lernlust

Auch wenn mittlerweile alle Bereiche unseres Lebens mit neurowissenschaftlichen Thesen „orientiert“ werden, scheint ein besonderer Fokus auf unserem Bildungssystem zu liegen. Verwunderlich ist das nach dem PISA-Schock und den weiteren Bildungsstudien wie IGLU oder TIMSS, nach der Diskussion um die Gesamtschule und die Ganztagsschulen oder die Bologna-Reform nicht. Unzufriedene Eltern, belastete Schüler, ratlos-überforderte Lehrer und die verschiedenen Akteure im ideologisch sowieso hoch aufgeladenen Feld der Bildungspolitik nehmen scheinbar gerne die klaren Empfehlungen zur Kenntnis, nicht wenige fordern die darauf gründende radikale Umgestaltung des ganzen Systems. Manches erinnert dabei mehr an Revolution denn an Reform. Jeder Andersdenkende gerät schnell ins Abseits. Ein zentraler Akteur in diesem revolutionären Programm ist der Göttinger Neurobiologe Gerald Hüther, der für eine Vielzahl von Initiativen, Aktionen und Programmen (mit)verantwortlich zeichnet, dabei umtriebig durch die Lande zieht. So konnte man auf einer Roadshow der Initiative „Schule im Aufbruch“ im Januar 2013 in München einen guten Eindruck davon gewinnen, wie mit einfachen (dualistischen) Botschaften und eventmäßigen Elementen das interessierte Publikum zu begeistern ist. Mit seinen Mitstreitern im voll besetzten AudiMax der Ludwig-Maximilians-Universität forderte Hüther die Abschaffung der Schulnoten, die durch persönliche Schülergutachten ersetzt werden sollen (weil Noten prinzipiell ungerecht seien und niemals den Menschen in seiner Ganzheit erfassten) sowie die Streichung sämtlicher Rahmenlehrpläne. Stattdessen sollen die SchülerInnen selbst entscheiden, was sie lernen wollen – und schon schwände der Lernfrust und Lernlust mache sich breit. Das alte Schulsystem habe abgewirtschaftet – was wir bräuchten, sei nicht weniger als ein neues Denken und eine neue Ordnung. Schlechte Lehrer gehörten gegebenenfalls „bei vollen Bezügen nach Hause“[11] geschickt und am besten wäre es, „die Schülerinnen und Schüler als Expertinnen und Experten in eigener Sache“[12] zu Wort kommen zu lassen.

 

Gerald Hüther und die Sinn-Stiftung

So und ähnlich klingen die provozierenden aber ernst gemeinten Überzeugungen, mit denen die Protagonisten der Sinn-Stiftung durch die Lande ziehen[13], um auf der vermeintlichen Grundlage neurowissenschaftlicher Erkenntnisse pädagogische und didaktische Lösungen bekannt zu machen. Man will eine „Kultur der Potentialentfaltung“[14] schaffen, lehnt daher das alte Schulsystem pauschal ab und kritisiert die Schule als „Energieverschwendung“, die nur Mittelmaß produziere. Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, wird in vereinfachender Weise, in dualistischer Manier, das alte Schul- und Bildungssystem pauschal schlecht geredet und gegen die eigenen, vermeintlich neuen und unwiderlegbaren Erkenntnisse ausgespielt. Alarmiert durch Erhebungen, die davon ausgehen, dass 40% der Schüler mit Angst zur Schule gingen, wird ein radikaler Systemwandel gefordert, der nicht nur einzelne Module innerhalb von Schule oder Bildung betrifft, sondern ein prinzipielles und neues Denken für alle Bereiche des Lebens fordert. Insofern verwundert es auch nicht, dass über das Netzwerk der Sinn-Stiftung Angebote für alle Altersstufen genauso bekannt gemacht und vertrieben werden wie Coaching-Angebote, Seminare zu Unternehmens- und Führungskultur oder Selbstfindungskurse für Männer von morgen. Die Sinn-Stiftung entpuppt sich damit als Sinn-stiftender Anbieter auf dem Weltanschauungs- und Lebensbewältigungshilfemarkt. Das selbstgesetzte Ziel scheint daher auch eher ein „New Age“ zu sein, die Methode weniger Reform denn Revolution[15]. Und so ist dann auch die Diagnose folgerichtig, die auf der Roadshow in München zu vernehmen war: Weil die Verantwortlichen in den Schulbehörden ihre Macht oder gar ihre Stellung nicht aufs Spiel setzen würden, könne man eine Veränderung auch nur schwerlich von diesen Vertretern des alten Systems erwarten.[16] Folgerichtig initiieren die Protagonisten eine Umwälzung von unten. Mit Initiativen wie Schule im Aufbruch (www.schule-im-aufbruch.de), der Roadshow Lernlust (www.roadshow-lernlust.de) oder Schule der Zukunft (www.schulen-der-zukunft.org) wird versucht, einen so genannten Transformationsprozess vor Ort anzustoßen.

Selbstverständlich ist jede Förderung von Kommunikation und Kooperation zwischen Schulleitung, Lehrerschaft, Schülern und ihren Eltern zu begrüßen; allein das naive Schwarz-Weiß-Denken, das die Positionsbestimmungen durchzieht, die abfällig-provozierende Sprache (z.B. wenn „Schule“ einfach nur als Erbsensortieranlage[17] oder als Dressur- und Selektionseinrichtungen[18] bezeichnet wird, die „Brave Pflichterfüller und Auswendiglerner" produziere[19]) ist nicht akzeptabel. Es scheint das ein Markenzeichen des Präsidenten und zugleich Vorsitzenden des Stiftungsbeirates der Sinn-Stiftung zu sein.

Prof. Dr. Dr. Gerald Hüther[20] ist Professor für Neurobiologie und Leiter der eigenständigen „Zentralstelle für Neurobiologische Präventionsforschung der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen“[21]. Ferner präsentiert sich Gerald Hüther als Gründungsmitglied weiterer Netzwerke, wie dem „Archiv der Zukunft - Netzwerk für Schulentwicklung“ (www.adz-netzwerk.de), Kulturwandel in Unternehmen (www.kulturwandel.org) oder dem „Netzwerk für humanitäre Fragen in der Wirtschaft“ (www.forum-humanum.eu), die selbstverständlich im Verbund mit Sinn-Stiftung und Win-Future-Netzwerk stehen.

Schließlich ist der „Hirnforscher und Schultransformator“ als wissenschaftlicher Beirat verschiedener Organisationen, Vereine, Verbände oder Stiftungen tätig: Neue Lernkultur in Kommunen (www.nelecom.de), Deutsches Demographie Netzwerk (www.demographienetzwerk.de), Deutscher Philologenverband (www.dphv.de), Stiftung Kinderland Baden-Württemberg (www.stiftung-kinderland.de), Nationales Netzwerk Frühe Hilfen (www.fruehehilfen.de), Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (www.friedensdienst.de), Zeitschrift Familiendynamik (www.familiendynamik.de)[22] oder als Mitglied des Council im Club of Marrakesh[23].

 

Formal gesehen versteht sich die Sinn-Stiftung (www.Sinn-Stiftung.de) als eine „gemeinnützige, religiös und politisch unabhängige Stiftung öffentlichen Rechts zur Unterstützung von Projekten und Initiativen, die deutlich machen, wie es gelingen kann, dass Menschen gemeinsam über sich hinauswachsen.“[24] Sie hat ihren Sitz in München, wobei sich die Geschäftsstelle in der Valleystraße 49, 81371 München befindet, als Verwaltungsadresse aber weiterhin 33758 Schloß Holte-Stukenbrock fungiert. Für Österreich wird die Geschäftsstelle in Steyr genannt, die schweizer Geschäftsstelle ist dagegen nur noch über Mail zu erreichen; sowohl die Räume in Solothurn wie auch der langjährige Ansprechpartner Urs Hauenstein werden nicht mehr aufgeführt (Weiteres siehe unten!). Ferner wird in der Satzung die „Stiftung Stifter für Stifter[25] genannt, die im Falle einer Vorstandsvakanz bei der Sinn-Stiftung für eine Übergangslösung zu sorgen hat. Bei Auflösung der Stiftung würde nach heutigem Stand das Vermögen an die Stiftung Kinderfonds (www.kinderfonds.org) fallen.

Vorstandsvorsitzender und Gründer der Sinn-Stiftung ist Christian Rauschenfels, der sich mit seinem privaten Unternehmen Symbiosys (www.symbiosys.eu), dem „Kompetenz-Netzwerk für die systemische Arbeit mit Mensch, Tier & Natur“[26] in die Sinn-Stiftung einbringt. Ähnlich wie bei Hüther stößt man auch bei Rauschenfels auf ein vielgestaltiges und weitverzweigtes Netzwerk. Als eigene Qualifikationen werden aufgelistet: „Fotograf, systemischer Einzel-, Gruppen-, Paar-, Kinder- & Sexual-Therapeut; Tier- & Natur-Pädagoge; Kletterpädagogik; Schwerpunkt Fortbildung Erwachsenenbildung; eigene Akademie“[27]. Neben Hundeschule und Aus- und Fortbildungsprogrammen in der unternehmenseigenen Akademie liegt ein weiterer Schwerpunkt in der „Vernetzung mit Partneranbietern und einem großen Pool an Trainern, Coaches, Therapeuten, Betreuern, Referenten und Seminarleitern - seit 15 Jahren.“ (so die Homepage 2011). 2003 war er Mitbegründer der Kidsfarm (www.kidsfarm.info), ist Vorstandsvorsitzender von MitMensch und Tier e.V. (MitMuT e.V.; www.mitmut.de) oder auch (zusammen u.a. mit Margret Rasfeld und Peter Spiegel[28]) Mitglied im strategischen und inhaltlichen Beirat des Institut für Bildungskunst, wo auf der Homepage schon angekündigt wird, dass Rauschenfels mit Josef Köhler zusammen "in Kürze gemeinsam die Initiative LEBENS-KUNST-LEBEN" gründen werde.[29]

„Teamleitung und Finanzvorstand“ ist die Sonderpädagogin Adelheid Tlach-Eickhoff, die mit Christian Rauschenfels auch erste Ansprechpartnerin für die Aktivitäten der Sinn-Stiftung rund um das Kloster Schlehdorf[30] ist und das „Project Peace“ (www.projectpeace.de), einem Projekt der Sinn-Stiftung in Kooperation mit dem schweizerischen Katharina-Werk (www.katharina-werk.ch), verantwortet. Auch hier finden sich neben den beiden Trägern noch weitere Netzwerkpartner und unterschiedliche Projektpartner.

Peter Schipek ist der Landesrepräsentant für Österreich, der als Sozialpädagoge, Trainer und Coach firmiert und die Homepage www.lernwelt.at, einem „Partner" der Sinn-Stiftung, unterhält. Er ist u.a. Webmaster diverser Webpräsenzen der Sinn-Stiftung.

 

Margret Rasfeld - „Kein Frontalunterricht mehr, keine Benotung und keine Sortierung der Schüler nach Leistungsfähigkeit.“[31]

Eine weitere wichtige Stimme der Sinn-Stiftung ist Margret Rasfeld, die Schulleiterin der Evangelischen Gemeinschaftsschule Berlin Zentrum (www.ev-schule-zentrum.de). Die Buchautorin (EduAction. Wir machen Schule, zusammen mit Peter Spiegel); die sich selbst als "Schulleiterin Visionärin Autorin" bezeichnet, ist im Beirat der Sinn-Stiftung tätig und gehört u.a. zum Council des Club of Marrakesh und ist Kuratoriumsmitglied der anthroposophischen GLS Treuhand Zukunfsstiftung Bildung. Sie ist eine der sechs Kernexperten im Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin. In den Medien wird sie auch als „einer der erfolgreichsten Praktikerinnen“ bezeichnet.[32] Sie fordert die Abschaffung des Frontalunterrichts (so als würde es in den Schulen keine andere Unterrichtsform geben), der Kopfnoten und zudem lehnt sie die „Sortierung nach Leistungsfähigkeit“ ab (vgl. Hüthers Rede von der Erbsensortieranlage). Selbstbewusst gibt sie in einem Interview zu Protokoll, dass es ihr keineswegs darum ginge, „das Bestehende zu reparieren, sondern einen neuen Geist zu etablieren, im Sinne eines neuen Geistes neu zu denken.“ Hüther brachte das bei der Veranstaltung in München Anfang 2013 pointiert auf den Punkt: „Margret Rasfeld glaubt nicht mehr an den alten Scheiß.“ Weiter bekennt sie: „Wir stehen für etwas radikal Neues, nämlich dafür, dass alle Kinder die Chance haben, über kognitiven Kompetenzen hinaus sich für die Gesellschaft zu engagieren, ihre Leidenschaften zu entwickeln und alle ihre wunderbaren Potenziale zu entfalten, Potenziale, die oft nicht in Leistungstests abprüfbar sind.“[33] Wundert es da, wenn Rasfeld die Schule im heutigen Schulsystem pauschal als „Beziehungsverhinderungsanstalt“ diskreditiert und genauso undifferenziert behauptet, die Ärzte wüssten, dass die Schule Kinder krank machte?[34]

 

Der Fall Hauenstein

Noch weit in das Jahr 2011 konnte man auf der Homepage der Sinn-Stiftung nachlesen, dass die Leitung „Sinn-Stiftung Schweiz und International Affairs“ bei Urs Hauenstein liegt (an anderer Stelle firmiert Hauenstein auch als „Präsident/Länderrepräsentanz Schweiz, Bildungsentwicklung International“). Hauenstein ist laut Auskunft der Stiftung seinerzeit nicht nur Präsident des schweizerischen Zweiges, sondern zugleich auch „Team-Ansprechpartner“ und zusammen mit Gerald Hüther bildet er den Stiftungsrat der Sinn-Stiftung. Sein Credo lautet: „Der individuelle Lebensweg als anerkannter Bildungsweg. Als Erziehungskünstler arbeite ich international im Dienste der Menschen. Ich bin Schatzsucher und Potentialforscher, Kompetenz- und Lebenscoach. Ich helfe Kompetenzen und Qualifikationen in Menschen zu entdecken, zu sichern und zur Anerkennung zu bringen.“[35] Hauenstein, der zu der Zeit den Titel „Prof. Dr. h.c.“ führt, ist Vorstandsvorsitzender der IPF-Multiversity[36], wo „Chairmen des wissenschaftlichen Beirats" wiederum Gerald Hüther ist. Auf der damaligen Homepage der Sinn-Stiftung wird Hauenstein gefeiert als Autor und „Visiting Professor" bzw. Dozent an verschiedenen internationalen Hochschulen. In der Tat gibt es noch eine ganze Reihe von „Universitäten“, die als Kooperationspartner der IPF-Multiversity (mit Hauptsitz in den Niederlanden und weiteren drei Niederlassungen, u.a. in Frankfurt und Bayerisch Gmain) aufgelistet werden: die European New University und die Université Nouvelle Européenne. Hier darf sich Hauenstein „Vice-Chancellor“ oder „Pro-Vice-Chancellor“ nennen. Die „Units“, die Hauenstein anlässlich eines Forums zusammengefasst habe, werden von der Homepage der Sinn-Stiftung direkt verlinkt auf die Website der „IPF-Multiversity“. Alle Trailer sind 2011 außerdem auf der Homepage der Sinn-Stiftung abrufbar. Nach allem, was man aus den öffentlich zugänglichen Darstellungen entnehmen kann, ist Urs Hauenstein bis weit in das Jahr 2011 eine zentrale Person innerhalb der Sinn-Stiftung, mit dem es vielfältige – persönliche – Kontakte und Kooperationen gibt.

Mittlerweile ist Urs Hauenstein aus der Homepage der Sinn-Stiftung verschwunden, sind alle Links zur IPF-University[37] getilgt. Ob es erst die nachhaltigen Recherchen Bärbel Schwertfegers waren, die die mangelnden Qualifikationen und das ganze Ausmaß des betrügerischen Netzwerkes ans Tageslicht brachte, oder ob die übrigen Verantwortlichen der Sinn-Stiftung selbst im Rahmen einer internen Qualitätssicherung auf die Widersprüche und Unzulänglichkeiten aufmerksam wurden, kann hier nicht beantwortet werden. Jedenfalls berichtet DIE ZEIT mit Datum vom 18.12.2011, dass Urs Hauenstein „jedoch kein(en) einzige(n) akademische(n) Abschluss“ sein eigen nennen kann. Weiter erläutert Schwertfeger: „Den „Professor Dr. h.c.“ hat der Schweizer offenbar an seinen eigenen, im Aufbau befindlichen „Universitäten“ erworben“[38], die wiederum den Schönheitsfehler haben, staatlich nicht anerkannt zu sein und daher auch keine anerkannten Abschlüsse anbieten können.

Gerald Hüther, angesprochen auf seine Funktionen als „Professor für ‚Holistic and Transformative Sciences‘ und ‚Chairman des wissenschaftlichen Beirats‘ eben jener Hauensteinschen Multiversity, weist laut Bericht alle Schuld von sich und distanziert sich umgehend. Angesichts der herausgehobenen Stellung, die Urs Hauenstein in der Sinn-Stiftung hatte, überwiegen aber doch die Zweifel. Kritisch bleibt zu hinterfragen, ob es denn überhaupt keine Qualitätsprüfungen in der Stiftung gibt. Oder entsprach das Konzept des Erziehungskünstlers, ohne akademische Bildung doch Abschlüsse zur Anerkennung zu bringen, zu sehr dem Bildungskonzept der Sinn-Stiftung? Obschon Urs Hauenstein zu den engsten Mitstreitern Hüthers zu rechnen war, will dieser nichts bemerkt oder gewusst haben? Angesichts der Fülle von Initiativen, der Gerald Hüther befeuert, mag der Überblick verloren gehen. Dies entschuldigt aber nicht mangelnde Sorgfalt und Qualität. Es ist erschreckend, dass in der Diskussion um den Einsatz von Tibor B. im Rahmen der Almprojekte und der aktuell wegen des sexuellen Missbrauchs an Schutzbefohlenen in Haft ist, letztlich die gleichen Fragen auftauchen und der Sinn-Stiftung, namentlich Gerald Hüther gestellt werden müssen.

 

Ein verworrenes Netzwerk

Offiziell unterhält die Sinn-Stiftung noch einen Wissenschaftsbeirat und einen Praxisbeirat. Beide Beiräte sind mit vielen Namen versehen, die in Wissenschaft und Öffentlichkeit bekannt sind.[39] Welche Funktion die Beiräte allerdings haben, das heißt, ob die Beiräte inhaltliche Impulse setzen, Aufsichtspflichten wahrzunehmen haben, an der Qualitätssicherung mitwirken oder schlicht wie oft man sich trifft, ist den Veröffentlichungen nicht zu entnehmen. Zwar gibt es blumige Formulierungen wie im „engem wechselseitigem Austausch“, „tragen mit ihrer Expertise dazu bei, dass die von der Sinn-Stiftung begleiteten Projekte, Unterstützungs- und Weiterbildungsangebote hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Begründung, ihrer theoretischen Konzeption und ihrer praktischen Umsetzung dem neuesten Stand der Erkenntnisse in den jeweiligen, von den einzelnen Mitgliedern vertretenen Disziplinen und Tätigkeitsfeldern entsprechen“, doch bedeutet dies, dass die Beiräte sowohl alle (!?) Initiativen und Partner begutachten als auch für die Einhaltung von Qualitätsstandards (welche?) sorgen?

Eng mit der Sinn-Stiftung verbunden sind eine Vielzahl von Projekten, etwa das Win-Future-Projekt (www.win-future.de), dass sich als „Wissenschaftliches Interdisziplinäres Netzwerk für Entwicklungs- und Bildungsforschung“[40] vorstellt und von Gerald Hüther und Dr. Karl Gebauer gegründet wurde, der wiederum zum Stiftungsbeirat und zum Praxisbeirat der Sinn-Stiftung gehört. Ferner sind beispielhaft zu nennen: die Lernwelt (Leitung der Initiative: Gerald Hüther, und Peter Schipek; www.lernwelt.at), in dessen Rahmen wiederum weitere „Projekte zur Potentialentfaltung“ vorgestellt und verlinkt werden, die Aktiv-Höfe als Teil der Initiative LebensLernOrte (www.lebenslernorte.de), das Archiv der Zukunft (www.archiv-der-zukunft.de), was zugleich auf das Archiv der Zukunft - Netzwerk verweist (www.adz-netzwerk.de) oder der Initiative Schulen der Zukunft (www.schulen-der-zukunft.org). Wer sich einmal in das Netzwerk der Sinn-Stiftung einklinkt, gerät in ein stark verwobenes vielgestaltiges Beziehungsgeflecht. Immer wieder werden die gleichen Akteure genannt, die als Bindeglieder zwischen den unterschiedlichen Stiftungen und Initiativen fungieren. Allen gemeinsam ist die Forderung, jeweils das bestehende System radikal reformieren zu müssen: die Wirtschaft muss z.B. aus lähmenden Strukturen und fragwürdigen Eigengesetzlichkeiten befreit werden, die Schule soll ihre Dressurmethoden aufgeben, das Schulsystem von einem System der Potentialvergeudung zu einem System der Potentialentfaltung umgewandelt werden, oder die Gesellschaft insgesamt aus einer „Ressourcenausnutzungskultur"[41] herausgeführt werden. Schließlich, so Hüther, sei ja das einzige, worauf wir in Europa stolz sein könnten, die Erfahrung, dass man Konflikte überleben könne. Die Sinn-Stiftung solle dabei helfen, diese Leiderfahrung transformieren zu helfen.[42]

Dieses hier skizzierte dualistische Denken durchzieht alle Angebote und Veröffentlichungen der Sinn-Stiftung und insbesondere des Gerald Hüther. Meist auch sehr ausdrücklich vorgetragen, paart sich der Dualismus mit einem Absolutheitsanspruch, der angesichts komplexer Wirklichkeiten nur verwundern kann. Allein die Fülle an Ankündigungen, die auf der Homepage der Sinn-Stiftung veröffentlicht sind, zeigt, dass man letztlich für jede (!) Altersgruppe, für alle (!) Herausforderungen das passende Konzept, die zukunftsweisenden Einsichten oder schlicht: die einzig richtige Wahrheit zu besitzen meint: Eine Vielzahl von Projekten ist im Laufe der Jahre für die verschiedenen Lebensphasen angekündigt worden, von der "Schwangerschaft & Geburt" (z.B. mit Willkommenstagen oder der Kinder-Lobby), über das Kindergartenalter (z.B. mit Waldkindergarten, Kieselschule und dem Väter&Söhne-Programm), Grundschulalter (z.B. mit ReSonanz & AkzepTanz, kidsfarm, buddy-projekt), Jugend & Schulzeit (z.B. mit jump-tv oder die stimmen unserer kinder), für Ausbildung & Studium (z.B. mit project peace), Beruf & Familie oder schließlich passende Angebote für Senioren. Mit den Projekten wird zugleich eine Fülle von Themen angezeigt (Pädagogik, Schule, Lernen, Familie, Gesundheit etc.). Schließlich bietet man noch an, fremde Projekte über die Sinn-Stiftung zu promoten (sofern sie den Anforderungen genügen), wobei schon viele zuvor aufgelistete Projekte nicht genuin von der Sinn-Stiftung, sondern von anderen, teils schon sehr etablierten Anbietern stammen und daher die Sinn-Stiftung nur Kooperationspartner ist. Neudeutsch könnte man hier auch einfach von „Labeling“ sprechen: Die Sinn-Stiftung bietet sich als Kooperationspartner an, vermarktet das Projekt mit und darf dafür das eigene Label einbringen.

Schon in der Satzung wird für die Sinn-Stiftung festgelegt, sie wolle Lernprozesse durch neurologisch, psychologisch und pädagogisch sinnvolle Impulse und Begleitung optimieren, wobei scheinbar als selbstverständlich vorausgesetzt wird, dass „Familie, Kindergarten und Schule, Hochschulen (…) als Erziehungs- und Lehrinstanz konzipiert“ (Präambel) seien. Die dualistische Sicht ist also von Anfang an Programm. Auch wenn nicht ausdrücklich vom Nürnberger Trichter die Rede ist, meint man doch klarstellen zu müssen, dass das Eintrichtern von Formen und Wissen nicht möglich sei. Es verwundert dann schon nicht mehr, wenn Hüther in einem seiner Eingangsstatements auf der Homepage der Sinn-Stiftung katastrophale Schlussfolgerungen für das gegenwärtige Schulsystem zieht und die bisherigen Unterrichts- und Erziehungsvorstellungen als Vorstellungen einer anderen Zeit bezeichnet: „Diese Vorstellungen kommen aus einer anderen Zeit, die kommen aus dem vorigen Jahrhundert, als man sich ja sehr tapfer darin bemüht hat, andere Menschen abzurichten und für bestimme Aufgaben vorzubereiten, die sie dann ohne lange nachzufragen dann hoffentlich gut erfüllt haben in Auschwitz, oder in den Schützengräben oder in diesen furchtbaren Fabrikhallen. Das waren funktionalisierte Menschen, und funktionalisierte Menschen bekommt man dann, wenn man sie möglichst gut abrichtet. Das heißt mit Belohnung oder Bestrafung dazu bringt, dass sie sich auf eine bestimmte Weise, auf die gewünschte Weise verhalten. Das nennt man Unterricht oder Erziehung. Und diese Dressurmethoden brauchen wir nicht mehr.“[43]

Wie schon eingangs betont, ist das Schulsystem und sind die Entwicklungen im Bildungsbereich sicherlich reformbedürftig, braucht es vielmehr akzentuierte als auch engagierte Schritte der Veränderung respektive Weiterentwicklung denn vollmundige Versprechen. Aber die Behauptung, Bildung und Schule in Deutschland und Österreich würde nur der Maxime Eintrichtern folgen, ist verzerrend und schlichtweg falsch. Gerade wer sich die Potentialentfaltung und ein humanistisches Konzept auf die Fahne schreibt, sollte anerkennen, dass moderner Unterricht pädagogisch, didaktisch und thematisch keineswegs dem entspricht, was die Sinn-Stiftung und Prof. Dr. Hüther unterstellen. Es mag sein, dass Herr Hüther hier seine persönlichen DDR-Erfahrungen generalisiert und aufarbeitet, aber das heutige Schulsystem führt sicherlich und erst recht nicht zwangsläufig zu Diktatur und Fordismus, sind die Lehrerinnen und Lehrer keine didaktischen Analphabeten, die dressieren mittels Belohnung oder Bestrafung und ansonsten Wissen blindlinks eintrichtern.

 

Von den Neurowissenschaften zur Neurodidaktik

Die Sinn-Stiftung verfolgt mit ihrem Präsidenten unter anderem das Ziel, „das Lernen in Bildungseinrichtungen zu verbessern, sowie natürliche Lernprozesse durch neurologisch, psychologisch und pädagogisch sinnvolle Impulse und Begleitung zu optimieren.“[44] Dazu möchte man das „Weltbild des vergangenen Jahrhunderts“[45] verlassen und das neue Denken auch gegen den Widerstand orthodoxer Kreise der Kinder- und Jugendpsychiatrie etablieren. Für dieses „neue Denken“ beruft sich Hüther auf die Erkenntnisse der Hirnforschung der letzten Jahre, wonach das Gehirn – im Gegensatz zur überkommenen Vorstellung – fähig sei, ein Leben lang neue Verschaltungen zu bahnen und damit lebenslang „lernen“ zu können, wobei Lernen sich auf alle Erfahrungsdimensionen des Menschen bezieht: sinnliche Wahrnehmung, Denken, soziale Erfahrungen usw.: alles hinterlässt im Gehirn Spuren, prägt das Gehirn auf je eigene Art und Weise. In der Wissenschaft wird dies unter dem Stichwort „Neuroplastizität“ verhandelt.

Anders als die Mehrzahl der Neurowissenschaftler zieht Hüther aus den Erkenntnissen der Neurobiologie, d.h. aus den Ergebnissen der verschiedenen bildgebenden Verfahren erziehungswissenschaftliche, d.h. didaktisch-methodische Konsequenzen, die sich zudem nicht auf allgemeine Hinweise beschränken, sondern die z.T. in sehr dezidierten Ableitungen und dogmatisch vorgetragenen Forderungen münden. Hüther ist also der Auffassung, man könne von den Erregungszuständen, die z.B. mittels EEG, PET oder fMRT im Gehirn „gemessen“ werden, darauf schließen, wie Menschen „lernen“ und folgert daher aus diesen Erregungszuständen sowohl auf Lernprozesse (wie und wann lernt der Mensch (am besten)?) wie auf Lehrprozesse (wie muss Unterricht, Bildung oder generell: zwischenmenschliches Verhalten beschaffen sein, damit es zum Lernen anregt?).

Mit diesen Ableitungen, die Hüther als unumstößliche Wahrheiten verkündet, verlässt der Neurobiologe nicht nur sein eigenes Fachgebiet, sondern er ignoriert dabei alle Aspekte, die seinem eigenen Ansatz im Wege stehen könnten:

Naturalistischer Fehlschluss: Hüter behauptet, richtiges bzw. gutes Lernen/Lehren ist mit Rekurs auf die Hirnphysiognomie ableitbar. Ohne weitere Annahmen (Weltbild, Menschenbild, pädagogische Zielvorstellungen) ist das nicht notwendig möglich. Erkenntnistheoretisch formuliert: Einen (biopsychologischen) archimedischen Punkt gibt es nicht! Ein Blick in die Philosophie des Geistes und deren Diskussionen, die seit Jahren mit enormen Wissen vorangetrieben werden und bisher zu keinem endgültigen oder mehrheitlich befriedigenden Ergebnis geführt haben, macht deutlich, dass direkte Ableitungen nicht zulässig sind. Der Philosoph Achim Stephan resümiert: „phänomenale Qualitäten scheinen nach wir vor sperrig gegenüber reduktiven Erklärungen zu sein, und das aus prinzipiellen Gründen“[46], weshalb er einen „phänomenalen Pessimismus“ (ebd.) für angebracht hält.

Reduktionismus: menschliches Lernen ist mehr als nur ein hirnphysiologisches Geschehen. Insofern sind Hüthers Annahmen und Beweisführung eindimensional: Lernen und Lehren ist von weitaus mehr Faktoren abhängig, als Hüther glauben machen möchte.

Fragwürdige Erkenntnissicherheit: Die meisten Versuche in den Neurowissenschaften werden an Tieren (Ratten und Mäuse) unternommen. Wie von Mäuseexperimenten zur Bedeutung von Lernerfolgen bei Schülern geschlossen werden kann, ist höchst umstritten. Seriöse Neurowissenschaftler weisen darauf hin, dass selbst die im menschlichen Hirn gemessenen Parameter oft sehr ungenau sind (je nachdem wo z.B. die Diode angebracht war) und dass angesichts von Milliarden Neuronen und deren Vernetzung untereinander die Ergebnisse noch viel zu allgemein sind, um genauere Bedeutungszusammenhänge ausmachen zu können (vgl. obige Ausführungen).[47]

Erlebnisorientierung: Wenn Hüther und wenn die Sinn-Stiftung alle Aufmerksamkeit auf die Motivationsfaktoren beim Lernen lenkt und ausschließliche erfahrungs- bzw. erlebnisbezogene Unterrichtsformen fordert, ignoriert sie damit weite Teile menschlichen Lernens und verweigert letztlich den Anschluss an die existierende Leistungsgesellschaft: „Mit Spaß und guter Laune ist es keineswegs getan.“ (E. Stern).

 

ADHS und das Alm - Projekt

Mediale Aufmerksamkeit hat die Sinn-Stiftung bisher in erster Linie durch ihr Alm-Projekt erlangt. Dieses Projekt ist auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet, die gemeinhin als „verhaltensauffällig“ oder „aufmerksamkeitsgestört“ bezeichnet werden. Die medizinische Diagnose dafür lautet weltweit ADHS (ICD-10: F90.0), teilweise wird auch der Begriff ADS gebraucht.[48]

Zum Konzept gehört es, dass die Kinder für mehrere Wochen am Stück auf einer Alm verbringen – fern von Eltern, Familien, Freunden und Zivilisation. Ganz im Sinne einer erlebnispädagogischen Herangehensweise wird versucht, die Kinder durch viel frische Luft, Bewegung in freier Natur, im Sorgen um die anvertrauten Tiere und durch die gruppendynamischen Prozesse, die während einer solchen Freizeit ganz natürlich auftreten, zu einem ungezwungenen Leben ohne Medikamente zu führen. Dies ermögliche dann die Entfaltung der jedem Kinde innewohnenden Fähigkeiten. Kostenfrei ist der Aufenthalt in der Natur nicht – Eltern berichten von ca. 2000,- €, die pro Kind anfallen. Doch angesichts der Hoffnung, die leidgeprüften Eltern gemacht wird, dass nämlich die positiven Effekte des Alm-Projektes lange über die Zeit des Aufenthaltes hinaus nachwirken und das Kind quasi wie ausgewechselt und deutlich sozialverträglicher in den neuen Lebensabschnitt gehen könnte, haben Zweifel und kritisches Hinterfragen geringere Bedeutung. Da sich ferner die Teilnehmer (bzw. die Eltern) verpflichten, die Einnahme von Methylphenidat (Ritalin) abzusetzen und darauf hingearbeitet wird, dass auch nach der Alm-Zeit eine erneute Medikamentation unterbleibt, scheinen die Hoffnungen nicht unbegründet, mit dem Alm-Projekt als quasi alternative Therapie einen wirklichen Durchbruch erzielen zu können.[49]

Prof. Hüther und mit ihm die Sinn-Stiftung vertreten die Meinung, dass es diese Störung im Sinne einer physiologisch nachweisbaren, genetisch bedingten veränderten neuronalen Funktion nicht gäbe. Mit der zugespitzten Formulierung Hüthers, AD(H)S sei „keine Krankheitsentität, sondern nur die Bezeichnung für eine Sammlung von Symptomen, die man bei Kindern beobachten“ könne und der Konsequenz daraus, dass die betroffenen Personen „nicht an einer Aufmerksamkeitsstörung (litten) und (…) auch keinen gestörten Hirnstoffwechsel (hätten), sondern eine mangelnde Sozialisationserfahrung“ dieser Sammlung von Symptomen zu Grunde läge, mögen Hüther und mit ihm die Sinn-Stiftung zwar den Nerv mancher Eltern treffen, die sich skeptisch-kritisch gegen die so genannte Schulmedizin absetzen. Doch ein Blick in die wissenschaftlichen Veröffentlichungen weltweit wie auch in die psychiatrisch-therapeutische Praxis zeigt, dass Hüther und Sinn-Stiftung hier eine ausgesprochene Außenseiterposition vertreten, die von vielen Fachleuten sogar ausdrücklich abgelehnt wird. Indizien, die Hüther zur Untermauerung seiner These vorträgt, können allesamt von Fachvertretern widerlegt werden, etwa, dass es das Erscheinungsbild ADHS erst seit relativ kurzer Zeit gäbe und daher dies ein Beleg sei für die Sozialisationsprobleme, die unsere moderne Gesellschaft den Kindern und Jugendlichen bereite. Dem ist entgegen zu halten, dass es schon vor der offiziellen Aufnahme der Diagnose ADHS in das ICD 10 Beschreibungen dieses Störungsbildes gab, etwa „minimale zerebrale Dysfunktion“ oder „frühkindlich exogenes Psychosyndrom“.[50] Ein Blick in die Medizingeschichte beweist außerdem, dass es schon immer ähnliche Verhaltensauffälligkeiten und Aufmerksamkeitsstörungen gegeben hat. Ferner spricht die Tatsache, dass die ADHS-Problematik unabhängig von sozialen Bedingungen auftritt, für eine primär erworbene Störung. Schließlich zeigt auch die Existenz von ADHS-Betroffeneninitiativen und Fachgremien in Gesellschaften wie Saudi-Arabien oder Sibirien, dass mit dem Verweis auf mangelnde Sozialisationserfahrungen das Störungsbild nicht schlüssig erklärt werden kann. Einzig richtig darf wohl konstatiert werden, dass diese Störungen heute in der hochtechnisierten modernen Leistungsgesellschaft stärker auffallen und zu größeren Anpassungsschwierigkeiten führen. Umso wichtiger wäre aber das Bemühen zu werten, betroffenen Kinder und Jugendliche alle nur denkbaren Chancen einzuräumen, in dieser Leistungsgesellschaft Fuß fassen zu können. Das Alm-Projekt dagegen verhindert eher die Integration von Kindern und Jugendlichen. Stattdessen drohen die Betroffenen dauerhaft oder sogar lebenslänglich nicht nur stigmatisiert zu werden, sondern in eine (soziale) Abwärtsspirale zu geraten.

Der Neurobiologe Hüther schreckte Anfang des Jahrtausends die Öffentlichkeit mit der Behauptung auf, die regelmäßige Vergabe von Ritalin könne die Vulnerabilität für eine spätere Parkinson-Erkrankung erhöhen.[51] Seit Veröffentlichung dieser Theorie macht der Verdacht immer wieder die Runde und wird bis heute von Hüther vorgetragen, obwohl eine Vielzahl unterschiedlichster namhafter Fachvertreter die Ergebnisse dieser einen Studie an Ratten (sic!) als ungenügend ablehnen[52] und nicht nur auf eine 50jährige Vergabepraxis von Methylphenidat verweisen können, sondern auch auf verschärfte Bestimmungen der Verschreibungsmodalitäten hinweisen.[53] Das Alm-Projekt der Sinn-Stiftung baut jedoch bis heute auf diesem Zusammenhang auf, weshalb im Konzept festgeschrieben ist, dass die teilnehmenden Jugendlichen mindestens für die Zeit des Almaufenthaltes auf die Einnahme von Methylphenidat zu verzichten haben. Welche Auswirkungen dieser Verzicht haben kann, ist bei betroffenen Eltern wie auch im RTL-Extra-Beitrag „Therapie ohne Psychopillen - Das Fazit: Sechs ADHS-Jungs einen Sommer auf der Alm“[54] sehr gut kritisch nachvollziehbar.

Mit Hüther setzt die Sinn-Stiftung auf ein vermeintlich neurowissenschaftlich fundiertes Konzept, wonach den Jugendlichen im 6-8-wöchigen Aufenthalt auf der Alm eine Chance gegeben werden solle, zu Gestaltern ihres Lebens zu werden und nicht zu „medizinischen Notfällen ", in dem sie „mit einem anderen Gehirn wieder zurückkommen" in die Gesellschaft.[55] Auf der Grundlage der Neuroplastizität (s.o.) behauptet Hüther, die Jugendlichen würden in dieser Zeit auf der Alm nicht nur völlig andere soziale Verhaltensweisen kennenlernen, sondern eben jene anderen sozialen Erfahrungen würden sich auch neurophysiologisch niederschlagen in Form neuer Bahnungen und Verschaltungen im Gehirn (daher auch die Rede von einem neuen Hirn, mit dem die Jugendlichen zurück in die Gesellschaft entlassen würden).

Schon ein oberflächlicher Blick in die neurowissenschaftliche Literatur zeigt, dass Hüther bereits mit dieser dezidiert vorgetragenen Theorie und nicht erst mit den pädagogischen Konsequenzen, die er aus den vermeintlichen neurologischen Zusammenhängen zieht, wenig Anhänger findet. Zwar wird niemand bestreiten können, dass sich jegliche Erfahrung, und damit auch soziale Erfahrung, in der Beschaffenheit des Gehirns niederschlägt, aber die unmittelbaren und kausalen Zusammenhänge, die Hüther allein schon für einen 4-, besser 6-8-wöchigen Almaufenthalt prognostiziert, bleiben reine Behauptung. Untersuchungen und nachvollziehbare Beweise jedenfalls sind bisher weder von Hüther noch von der Sinn-Stiftung veröffentlicht worden. Zweifel sind angebracht, dass dies in absehbarer Zeit überhaupt gelingen kann; schließlich wäre nachzuweisen, dass ein bestimmtes Verhalten oder/und eine bestimmte Erfahrung genau zu dieser (und notwendig zu keiner anderen) beobachteten neurophysiologischen Veränderung geführt habe. Zugleich müssten andere Faktoren ausgeschlossen werden. Schließlich müsste man die unterschiedlichen Qualitäten von Emotionen (z.B. motiviert – demotiviert) wie die unterschiedlichen Grade der jeweiligen Emotionen (mehr motiviert, weniger motiviert, gar nicht motiviert) in notwendigem Zusammenhang zu den beobachteten Veränderungen (Plural!) setzen und das Ganze auch noch in eine zeitliche Dimension einordnen können, um auch nur annähernd z.B. die Frage beantworten zu können, wie viel „Motivation“ in welcher Intensität und mit welcher emotionalen Färbung über einen Zeitraum x notwendig ist, um im Menschen (generalisierbar für andere Menschen auch?) folgende Hirnveränderung zu bewirken mit wiederum weiteren Konsequenzen für das Denken, Fühlen und Handeln. Es darf wohl mit Recht gesagt werden, dass allein die Frage so nicht sinnvoll formuliert werden kann!

Aus vielfältigen Erfahrungen mit Ferienfreizeiten sollte auch und vor allem in Erwägung gezogen werden, dass viele Verhaltensveränderungen (positiv wie auch negativ zu bewertende Veränderungen!) auch durch die Ausnahmesituation erklärbar sind. Jeder Gruppenleiter weiß, welche enormen sozialen Kräfte in einem Ferienlager freigelegt werden können, wenn Kinder oder Jugendliche gemeinsam fern von allen Alltagszwängen und individuellen Rollenmustern sich neu ausprobieren können, miteinander eindrückliche (Natur)Erlebnisse erfahren dürfen und lohnenswerte Ziele für sich wie für die Gruppe entdecken lernen. Selbstverständlich prägt und verändert das die Teilnehmer. Wie nachhaltig die Erfahrungen dann wirklich sind, zeigt sich meist schon bald, wenn der berüchtigte Alltagstrott den Einzelnen wieder einholt. Enttäuschungen sind hier nicht selten. Aber die positive Erinnerung kann doch auch Wunder wirken – ganz ohne gewagte neurowissenschaftliche Hypothesen.

Im Frühjahr 2013 sind Missbrauchsvorwürfe gegen einen früheren Mitarbeiter der Sinn-Stiftung (Honorarkraft Tibor B.) öffentlich geworden. Die mehrfachen sexuellen Übergriffe haben sich im Jahr 2010 im Rahmen des Alm-Projektes zugetragen. In den Medien wurde immer wieder die Frage gestellt, ob sich die Sinn-Stiftung, die schon frühzeitiger von den mutmaßlichen Übergriffen in Kenntnis gesetzt wurde, sinnvoll und korrekt verhalten hätte. Zwar handelten die Verantwortlichen unverzüglich und untersagten Tibor B. laut Selbstaussage „jeglichen Kontakt zu Kindern", ließen sich das auch schriftlich erklären und müssen nun doch eingestehen: „Leider wissen wir inzwischen von zwei Fällen, dass er sich von uns unbemerkt nicht an die Abmachung hielt."

Bei aller Tragik und wohlwissend, dass kein Veranstalter vor geschickter Täuschung gefeit ist, bleiben doch mindestens drei beunruhigende Fragen im Raum. 1. Wieso konnte es sein, dass ein Mitarbeiter über längere Zeiträume hinweg unbehelligt mit den Kindern allein sein konnte? 2. Wie sorgfältig ist die Stiftung bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter – gerade wenn diese zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen eingestellt werden? 3. Wie groß muss die Naivität, die Unkenntnis über sexuelle Triebhaftigkeit sein, dass man sich auf eine Unterschrift verlässt ohne anscheinend eine entsprechende Kontrolle zu garantieren? Der Hinweis auf das, was in „stationären Kindereinrichtungen üblich und erlaubt" sei, trägt bei Maßnahmen von der Art des Alm-Projektes nicht weiter! Es drängt sich erneut der Verdacht auf, dass Strukturen und Verantwortlichkeiten bei der Stiftung nicht so organisiert sind, dass sie den allgemeinen Qualitätsstandards entsprechen.

 

Aktiv-Höfe

Die Aktiv-Höfe ...
... sind Teil der Initiative LebensLernOrte.

Sie bieten insbesondere Kindern Erfahrungsräume zur Selbstwirksamkeitserfahrung durch Beteiligung an
z.B. handwerklichen oder landwirtschaftlichen Aufgaben und zum Aufbau von Naturverbundenheit.
Aktiv-Höfe sind Frei-Räume zum spielerischen, natürlichen Lernen, die inzwischen in unserer Gesellschaft
und Bildungslandschaft selten geworden sind.
Für eine gesunde Entwicklung sind solche Orte und Räume sehr bedeutsam.“
[56]

Das Aktiv-Höfe-Projekt verfolgt das gleiche Konzept wie das Alm-Projekt; auch hier geht es um naturverbundene Erlebniskonzepte bei bewusster Abkehr vom Alltag und unter zu Hilfenahme der gruppendynamischen Prozesse, wie sie in jeder Menschengruppe ablaufen. In der Begegnung mit Tieren, durch gemeinsame Aufgaben und Ziele, unterstützt durch entsprechendes Personal möchte man auf den Aktiv-Höfen junge, sozial häufig auffällige Menschen zu Selbsterfahrung und Selbstentfaltung führen. Grundsätzlich sind derartige Projekte zu begrüßen. Allerdings wird es darauf ankommen, dass der Aktiv-Hof nicht zum Ausstiegs-Hof verkommt, sondern dass die Integration in Gesellschaft und Wirtschaft angezielt bleibt. Mit Blick auf den exklusivistischen Anspruch der Sinn-Stiftung, die gepaart ist mit einer der polemisch-dualistischen Weltsicht, sind Zweifel nicht von der Hand zu weisen. Auch sollten die Hoffnungen in tiergestützte Therapien angemessen realistisch bleiben.

 

Herr Hüther hat nichts mit Scientology zu tun

Sowohl an der Fachstelle wie auch im Internet taucht die Frage immer wieder auf, ob die Sinn-Stiftung mit der Scientology – Organisation in Verbindung stünde (oder gar eine Tarnorganisation sei). Sicherlich trägt auch der kritische Kommentar im Spiegel zur Sendung von Richard David Precht dazu bei, dass „der Krawall-Neurologe Gerald Hüther“ immer wieder mit Scientology in Verbindung gebracht wird. Im Spiegel-Artikel heißt es: „Hüthers erfolgreiches Buch "Was wir sind und was wir sein könnten" lässt sich auf zwei Binsenweisheiten herunterkürzen. Erstens: Der Mensch kann mehr, als man glaubt (irgendwie bekannt aus der Scientology-Werbung). Zweitens: Ohne Begeisterung geht gar nichts (irgendwie bekannt von Jürgen Klopp).“[57] Des Weiteren zeigt eine kurze Recherche im Internet, dass umgekehrt Hüther und dessen Ausführungen selbstverständlich als Beleg für eigene Anschauungen herangeführt werden. So findet man auf der Seite www.ritalin-kritik.de, die laut Impressum von Helmut Kaeding betrieben wird, der wiederum von www.psiram.com als ein bekennender Scientologe vorgestellt wird[58] eine Artikelsammlung, in der Herr Kaeding Hüther auszugsweise aus einem anderen Artikel zitiert. Gerald Hüther hat sich in der Vergangenheit mehrfach dagegen zu Wehr gesetzt und klargestellt, dass er kein Scientologe ist und auch nicht mit Scientology kooperiert.[59]

 

FAZIT

Dieser Artikel hat zum Ziel, die Sinn-Stiftung mit ihrem schillerndsten Vertretern in Kürze aber mit gebotener Sorgfalt vorzustellen und eine Einordnung in die neurowissenschaftliche Forschung oder besser in die populärwissenschaftliche Aufbereitung neurowissenschaftlicher Forschung vorzunehmen. Auf dezidierte Rezensionen der einschlägigen Veröffentlichungen oder eine kritische Sichtung der vielgestaltigen Initiativen mit deren jeweiligen weltanschaulichen Positionierungen musste verzichtet werden. Man darf aber darauf vertrauen, dass Bücher wie „Jedes Kind ist hoch begabt“, „Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn“ oder „Männer. Das schwache Geschlecht und sein Gehirn“ mit eben der gleichen Polemik, mit den bekannten Stilmitteln wie Verabsolutierung allgemeiner Weisheiten und in populistischer Schwarz-Weiß-Malerei gespickt sind, garniert mit weitreichenden Forderungen, aber schön verpackt in griffigen Slogans wie „Lernlust statt Lernfrust“ oder „Lernkultur der Potenzialentfaltung“.

Die Ausgangsthese des Neurobiologen Hüthers, dass Methylphenidat die Erkrankung eines Menschen an Parkinson begünstige, hat sich so als unhaltbar erwiesen. Die meisten Forderungen, die über die Sinn-Stiftung medienwirksam erhoben werden, sind neurowissenschaftlich nicht zu begründen. Das allen Initiativen und Stellungnahmen zu Grunde liegende Gesellschaftsmodell ist utopisch, insofern es die realen Bedingungen in Wirtschaft und Gesellschaft ignoriert (wir leben in einer Leistungsgesellschaft, die Anforderungen an das handwerkliche Können werden immer höher und zugleich schwindet dessen Anteil zu Gunsten einer hochtechnisierten, dienstleistungsorientierten Welt, wo Realität und Virtualität immer mehr miteinander verschmelzen). Die dualistische Polemik ist verzerrend und bietet weder ein faires Bild vom heutigen Schulsystem, noch vom Bildungssystem als Ganzen. Pauschalurteile wie „die“ Schule als „Energieverschwendung“ abzuqualifizieren, entlarven eine Grundhaltung, die den verkündeten Werten Hohn spricht.

Auf eine Organisation, die sich so exklusiv versteht, die Fundamentalopposition quasi zum Prinzip erklärt, sich in ein Netzwerk verstrickt, wo sie selbst zwangsläufig orientierungslos werden muss und die ihre Forderungen auf wissenschaftlich nicht belegbare Erkenntnisse fußt, ist kein Verlass. Die gute Absicht ist den Protagonisten sicherlich nicht abzusprechen, aber dies reicht für eine vertrauensvolle und qualifizierte Zusammenarbeit nicht aus. Deshalb kann es keine Kooperation mit der Sinn-Stiftung geben.

Axel Seegers
2013

 


[1] Zur kritischen Auseinandersetzung mit den populärwissenschaftlichen Ablegern der Neurowissenschaften vgl. z.B. Bennett/Hacker (2010) oder Heinemann (2012).

[2] Vgl. auch die Entwicklungen in Richtung personalisierter Medizin.

[3] Vgl. Milliarden für den Kopf. Wie ambitioniert sollte die Hirnforschung sein?, in: Süddeutsche Zeitung, 04.04.2013.

[4] Vgl. Merath, S.: Die Kunst, seine Kunden zu lieben: Neurostrategie® für Unternehmer, Gabal; 3. Auflage 2011; Korte, M.: Wie Kinder heute lernen: Was die Wissenschaft über das kindliche Gehirn weiß - Das Handbuch für den Schulerfolg. Goldmann 2011; Seidel, W.: Emotionale Kompetenz: Gehirnforschung und Lebenskunst, Spektrum Akademischer Verlag 2004; Peters, T./Ghadiri, A.: Neuroleadership - Grundlagen, Konzepte, Beispiele: Erkenntnisse der Neurowissenschaften für die Mitarbeiterführung, Gabler 2011.  Markowitsch, H./ Siefer, W.: Tatort Gehirn: Auf der Suche nach dem Ursprung des Verbrechens. Campus 2007.

[5] Seit einiger Zeit verschafft sich die Glücksforschung Aufmerksamkeit und Forderungen nach einem Schulfach „Glück“ machen die Runde (vgl. z.B. www.schulfachglueck.de).

[6] Um die unvorstellbaren Größenordnungen zu illustrieren, überschlägt der Neuropsychologe Frank Rösler die Menge an Neuronen in einem Kubikmillimeter Großhirnrinde („etwa 40 000 Neurone und gut 800 000 000 synaptische Kontakte“) und ermittelt für einen bestimmten Gedankeninhalt (ein Begriff, kein Satz oder Zusammenhang!) ein Muster von 8 x 1012 potentielle Muster (www.gehirn-und-geist.de/alias/angemerkt/unterschaetzte-komplexitaet/1070582, 15.03.2013).

[7] Vgl. etwa Bennett/Hacker (2010), Förstl (2012), Northoff (2012), Brüntrup (1996).

[8] „kritisch“ im ursprünglichen und besten Sinne des Scheidend-Unterscheidens!

[9] Vgl. Süddeutsche Zeitung: „Verheerendes Zeugnis für die Hirnforschung" 11.04.2013 (http://sz.de/1.1646178 Kurzlink) und www.nature.com/nrn/journal/vaop/ncurrent/full/nrn3475.html

[10] Vgl. Hamer (2006); Blume (2009) ; Vaas/Blume (2011); Dennett (2008), Newberg (2012).

[11] Salzburger Nachrichten, 16.07.2012: www.salzburg.com/nachrichten/rubriken/bestestellen/nachrichten/sn/artikel/schlechte-lehrer-nach-hause-schicken-21749/

[12] www.ev-schule-zentrum.de/1363.0.html. „Wer sind eigentlich die Bildungsexperten? Das sind doch die Schüler selbst, wer denn sonst? Die wissen doch genau, was mit ihnen passiert, wann sie gut lernen und wann nicht. Es geht darum, dass wir den Schülern eine Stimme geben.“ (Margret Rasfeld im Blog am 07.01.2013 auf www.roadshow-lernlust.de.

[13] Z.B. bei Veranstaltungen zur Roadshow Lernlust mit Gerald Hüther und dem Stern-Journalisten Uli Hauser: www.roadshow-lernlust.de.

[14] So die Selbstbeschreibung der Initiative Schulen der Zukunft. Wörtlich heißt es: „Es ist Zeit, unser Verständnis von Schule, Lernen und Lehren zu überdenken und unsere Schulen von Grund auf umzugestalten: hin zu einer Lernkultur der Potenzialentfaltung.“ (www.sinn-stiftung.de, 13.02.2013). Laut Spiegel habe Hüther in Zusammenarbeit mit der Humboldt-Viadrina School of Governance einen Masterstudiengang "Potentialentfaltungscoach" entwickelt, der „ab Herbst 2013 an je drei deutschen und österreichischen Hochschulen angeboten werden soll.“ (www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/kritik-am-schulsystem-huether-will-gymnasium-und-lehrplaene-abschaffen-a-850405.html)

[15] Auch wenn Hüther das in einem Interview von sich weist: „Ein Bildungs- oder Schulrevolutionär bin ich nicht. Es geht mir auch nicht darum, den Unterricht oder die Lehrer zu kritisieren. Was mir am Herzen liegt, ist die Veränderung der Lern- und Beziehungskultur in Schulen.“ (www.welt.de/debatte/kommentare/article113327766/Jedes-Kind-lernt-gerne-aber-nur-ohne-Druck.html,  07.03.2013).

[16] Hüther verstieg sich mit Verweis auf Thomas Kuhn in den Gedanken, dass die Verantwortlichen eigentlich erst aussterben müssen. Darauf wolle man aber nicht warten, weshalb man überall die Initiativen aufbaue.

[17] www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/kritik-am-schulsystem-huether-will-gymnasium-und-lehrplaene-abschaffen-a-850405.html (02.03.2013).

[18] www.welt.de/debatte/kommentare/article113327766/Jedes-Kind-lernt-gerne-aber-nur-ohne-Druck.html, oder auch: www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/bildung-schluss-mit-der-dressurschule-1.696232 (07.03.2013).

[19] www.schulen-der-zukunft.org (07.03.2013).

[20] Vgl. auch www.gerald-huether.de Der interessierte Besucher wird über die Person informiert und auf die umfangreiche Publikationstätigkeit sowie auf aktuelle Vorträge hingewiesen; viele Vorträge sind als Stream (nicht immer unentgeltlich) herunterzuladen.

[21] In den letzten Jahren war nicht immer ganz klar, wer oder was diese Zentralstelle ist und welche Aufgabe sie hat. Aktuell scheint zumindest fest zu stehen, dass die Kooperation mit dem „Institut für Public Health der Universität Mannheim/Heidelberg“ seit Sommer 2012 beendet ist. Bezeichnenderweise hieß es hierzu auf der Website Esowatch.com: „Nach einschlägigen Mediendarstellungen und laut eigener Vita leitet G. Hüther seit 2006 die „Zentralstelle für Neurobiologische Präventionsforschung“ an den Universitäten Göttingen und Mannheim (Institute of Public Health). Allerdings verfügt diese Zentralstelle weder über ein eigenes Internetportal noch über eine der Universität Göttingen angeschlossene Homepage. Auch ließen sich bislang trotz umfangreicher Recherchen keinerlei offizielle Tätigkeits- oder Forschungsberichte einer Einrichtung dieses Namens finden. In Internet-Suchmaschinen taucht die angebliche "Zentralstelle" ausschließlich in Verbindung mit der Person Hüthers auf.“ (www.esowatch.com/ge/index.php?title=Gerald_H%FCther; 04.06.2011). Prof. Hüther ist, Stand März 2013, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Psychiatrischen Klinik. Die Zentralstelle ist, auch wenn die Homepage des Klinikums etwas anderes suggeriert, eine eigenständige Einrichtung.

[22] Die Auflistungen sind mit Sicherheit nicht vollständig und es kommen im Laufe der Zeit immer weitere hinzu.

[23] Für weitere Informationen, siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Club_of_Marrakesh (07.03.2013).

[24] www.sinn-stiftung.eu/index.php, 03.06.2011.

[25] www.stifter-fuer-stifter.de; die Stiftung Stifter für Stifter steht in einem direkten Zusammenhang zur Stiftung Kinderfonds (www.kinderfonds.org). Beide Stiftungen verweisen auf die Stiftungszentrum.de Servicegesellschaft mbH als gewerbliche Service-Gesellschaft zur Gründung von Stiftungen.

[26] http://www.symbiosys.eu/, 03.06.2011. Weitere Homepages und Engagements findet man u.a. unter: www.symbiosys-kids.eu, www.symbiosys-akademie.eu, www.symbiosys-impulse.eu, www.symbiosys-praxis.eu, www.kidsfarm.info, www.qualytaten.com, www.systemische-impulse.de .

[27] Siehe: www.umweltbildung.de 18.05.2011. Über welche Ausbildungen Herr Rauschenfels tatsächlich verfügt, konnte bisher nicht recherchiert werden. In Deutschland gibt es jedenfalls keine anerkannte Ausbildung zu einem systemischen Einzel-, Gruppen-, Paar-, Kinder- & Sexual-Therapeuten!

[28] Peter Spiegel ist wie Hüther im Council des Club of Marrakesh.

[29] www.institut-bildungskunst.de/aktuelles-2, 07.03.2013.

[30] Kloster Schlehdorf gehört zum katholischen Frauenorden der Missions-Dominikanerinnen und ist ein Orden päpstlichen Rechts. Auch wenn der Orden innerhalb des Territoriums der Erzdiözese München-Freising liegt, hat der Erzbischof von München-Freising keinerlei Vollmachten über den Orden. Kirchenrechtlich spricht man von einem exempten Orden. Die Missions-Dominikanerinnen haben 2011 Teile ihres Klosters für längere Zeit an die Sinn-Stiftung vermietet. Zugleich befindet sich auf dem Areal des Klosters die Mädchenrealschule St. Immaculata, die in Trägerschaft der Erzdiözese steht.

[31] http://margretrasfeld.com/ 07.03.2013.

[32] www.rbb-online.de/zibb/vip/beitraege/margret_rasfeld.html  (23.04.2012).

[33] Beide Zitate: www.entrepreneurship.de/artikel/education-by-challenge-rasfeld (04.04.2013)

[34] www.entrepreneurship.de/artikel/education-by-challenge-rasfeld (04.04.2013)

[35] www.sinn-stiftung.eu/ueber-uns/praesident--vorstand/index.html (05.05.2011).

[36] Auch bei Urs Hauenstein fand sich ein weitverzweigtes Netzwerk, das europaumspannend mit unterschiedlichen Partnern auftrat: vgl. u.a.: www.ipf.net; www.3puls.ch; www.multiversity-campus.de; www.ipf-multiversity.com; oder weitere Adressen wie: www.campus-heidelberg.de; www.hll-dreieich.de etc.

[37] Die „University" hat mittlerweile umfirmiert und heißt nun Martin Buber University. Direktor dieser University ist "Univ.-Prof. Prof. h.c. Dr. Dr. drs. drs. Werner Janssen M.A." (vgl. auch: www.claire-darcine.de/biografie_janssen.html  (02.04.2013). Mittlerweile ist Urs Hauenstein aus dem Lehrkörper der University entfernt worden. Fraglich scheint noch zu sein, ob die „University“ heute über eine entsprechende Anerkennung verfügt, d.h. ob Absolventen dort staatlich anerkannte Abschlüsse erwerben können. Vgl. www.schwertfeger-mba-channel.com/2012/martin-buber-university-weiter-nicht-anerkannt (05.04.2013). Die University ihrerseits betont, „seit dem 27. September 2012 eine eigenständige lizenzierte Universität“ zu sein. Was das bedeutet, ist hier nicht weiter zu erforschen. Urs Hauenstein zeichnet aktuell (April 2013) verantwortlich für die „IPF Multiversity-International University of Competencies, a.i.s.b.l. I Associazione IPF Multiversity I IPF Initiative für Praxisforschung (e.V.)" mit Sitz in Solothurn, Schweiz, die als Franchising-Unternehmung auch Franchise-Partner in Europa sucht (http://www.multiversity.eu).

[38] www.zeit.de/2011/51/C-Beruf-Multiversity.

[39] Bei Stichproben tauchte zudem die Frage auf, über welche Informationen die genannten Personen über die Sinn-Stiftung und deren Projekte tatsächlich haben.

[40] www.win-future.de/ueberuns/index.html  03.06.2011.

[41] Vgl. Hüther im Videobeitrag „über Ziele der Sinn-Stiftung“: www.sinn-stiftung.de/service/ueber-ziele-der-sinn-stiftung.html  (03.06.2011).

[42] Vgl. Hüther im Videobeitrag „über Ziele der Sinn-Stiftung“: www.sinn-stiftung.de/service/ueber-ziele-der-sinn-stiftung.html  (03.06.2011).

[43] Hüther im Videobeitrag „Schulen der Zukunft“, vgl. www.sinn-stiftung.de/service/schulen-der-zukunft.html.

[44] Satzung § 2 (1).

[45] So Hüther in Pädiatrie 2/10, S. 11. S. 12 für Folgendes.

[46] http://cogsci.uni-osnabrueck.de/~acstepha/Phaenomenaler_Pessimismus_%282002%29.pdf.

[47] Vgl. die schon zitierte Analyse von Katherine Button und Marcus Munafo, veröffentlicht im Fachmagazin Nature Reviews Neuroscience (www.nature.com/nrn/journal/vaop/ncurrent/full/nrn3475.html).

[48] Die Diagnose „ADS“ gibt es strenggenommen nicht, in den offiziellen Klassifikationssystemen ICD-10 (in Deutschland verbindlich) und DSM-IV lautet die Diagnose „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung“ (ADHS) bzw. „Hyperkinetische Störung“ (HKS), mit den Codierungen F90.0 (ICD-10) oder 314.0x (DSM-IV). Soll die vorwiegende Unaufmerksamkeit betont werden, kann das im DSM-IV durch die Unterkategorie „Vorwiegend Unaufmerksamer Typus“ (314.00) erfolgen, im ICD-10 wäre die korrekte Diagnose dann „Sonstige andere Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F98.8). Wie durch die Bezeichnung ersichtlich ist, handelt es sich hierbei um eine Restkategorie, die in der Praxis auch wenig Relevanz besitzt. Da im öffentlichen Diskurs und zahlreichen populärwissenschaftlichen Werken dennoch häufig von Aufmerksamkeitsdefizit-Störung bzw. ADS die Rede ist, wurde diese im Text erwähnt um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen. Meist ist dann mit ADS und ADHS jedoch dasselbe gemeint.

[49] Wohlwissend, dass sich hinter jedem Erfahrungsbericht verschiedene Sichtweisen verbergen können und daher keine Einschätzung absolut gilt, sei an dieser Stelle doch auf einen transparenten Bericht ausdrücklich hingewiesen: http://www.adhs-deutschland.de/Home/Unser-Angebot/Leseecke/Leseecke-Medien/Erfahrungsbericht-einer-Mutter-zum-Almprojekt-der-Sinnstiftung.aspx (15.03.2013).

[50] Stellvertretend für viele, vgl. Neuhaus, Cordula: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Kohlhammer 2. Aufl. 2009, S. 12f.

[51] Vgl. etwa: Journal of Child and Adolescent Psychopharmacology, Bd. 11, S. 15, 2001 oder in: Hüther, Gerald: Neues vom Zappelphilipp. Walter-Verlag 2002 (mittlerweile ist die x-te Auflage erschienen (2011 war die 11. Auflage im Handel) und der Beltz - Verlag hat 2013 eine Lizenzausgabe herausgegeben.

[52] So schrieb schon 2002 Aribert Rothenberger, derzeit Direktor der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie an der Universität Göttingen (eben jener Universität, an der Hüther die Leitung der „Zentralstelle“ inne hat(te)): „Eine neue Spekulation.Vor kurzem tauchte eine weitere spekulative Behauptung dieser Art auf. Der Neurobiologe Prof. Dr. G. Hüther trat an die Öffentlichkeit (z.B. Interview im Spiegel Nr. 11/2002; Leserbriefe dazu im Spiegel Nr. 13/2002), um zu erklären, dass Ritalin unter Umständen die Parkinson-Krankheit begünstigen könne, auch wenn es dafür noch keine Nachweise gebe. Sogleich setzte sich o.g. soziologischer Mechanismus in Gang. Voreingenommenheiten und Ängste brachen sich Bahn. Die Äußerungen von Prof. Hüther wurden von seinem Publikum kaum hinterfragt, eher unkritisch verstärkt. So konnten sie Fahrt und Kontur gewinnen. verbreiteten sich über seine Vorträge sowie die Medien sehr rasch. Sie wurden schließlich zu einem handlungsrelevanten Gerücht, dem die Kinder und Jugendpsychiatrie der Universität Göttingen mit einer Eltern-Information (Höger et al. 2002; www.gwdg.de/-ukvk) und die Deutsche Gesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie nunmehr mit einer sachbezogenen, offiziellen Stellungnahme entgegengetreten ist (Rothenberger und Resch, im Druck). Worauf basiert die Parkinson-Spekulation? Ausgangspunkt sind Tierexperimente an gesunden Ratten (Moll et al. 2001,2002), denen zu verschiedenen Zeitpunkten ihrer Entwicklung für die Dauer von zwei Wochen MPH in einer Dosierung von 2 mg/kg/Tag gegeben wurde (Anmerkung: MPH wirkt in erster Linie als Blocker der Dopaminrückaufnahme im synaptischen Spalt). Man fand heraus, dass nur dann im Striatum der Ratten eine dauerhafte präsynaptische Veränderung (d.h. Verringerung der Dichte der Dopamintransporter, DAT) zu beobachten war, wenn MPH während des vorpubertären Stadiums der Ratten gegeben wurde. Es ist unklar, wie MPH zu diesem Ergebnis geführt hat und wie es zu interpretieren ist, da verschiedene Erklärungsmöglichkeiten offen stehen. Zurückhaltung ist geboten, insbesondere deshalb, weil die Ratten keinerlei Verhaltensauffälligkeiten zeigten und weder hirnfunktionelle noch histochemische Daten erhoben wurden. Es ist jedenfalls eindringlich vor einer unkritischen Übertragung der tierexperimentellen Befunde an gesunden Ratten auf die menschliche Situation von Kindern mit ADHS zu warnen.

Demgegenüber versucht sich Hüther an einer einseitigen Spekulation. Er geht von dem Befund aus, dass bei einigen (wohlgemerkt: aber nicht bei allen) Patienten mit Parkinson-Syndrom die DAT im Striatum erniedrigt ist. Wenn nun, so die verengte Sichtweise, MPH bei Kindern gegeben werde, die fälschlicherweise als Kinder mit ADHS diagnostiziert worden seien, so könne die dauerhafte Erniedrigung der DAT vielleicht dazu beitragen, dass durch die MPH-Behandlung in der Vorpubertät ein Risiko für das Parkinson-Syndrom geschaffen werden könne. Würde man dieser schlichten Betrachtung folgen, so müsste man auch die Schlussfolgerung zulassen, dass bei korrektdiagnostiziertem ADHS die MPH-Behandlung zu einer dauerhaften Heilung der Störung führen könne, da bei ADHS offenbar die DAT-Dichte erhöht ist und durch MPH " normalisiert" wird (Rothenberger und Resch, im Druck). Rothenberger und Banaschewski (2002) konnten durch einen Literaturüberblick aufzeigen, dass solche Überlegungen einer soliden Datengrundlage entbehren, der Komplexität des Sachverhalts bei beiden Störungen überhaupt nicht gerecht werden und daher beide zu verwerfen sind. Darüber hinaus muss der Grundsatz gelten, psychisch gestörten Kindern solche Hilfen nicht vorzuenthalten, die nachgewiesen wirksam sind (Höger et al. 2002). Und hier ist die Befundlage eindeutig: Empirische Studien weisen die Stimulantienbehandlung als vorrangige in ihrer Wirksamkeit gesicherte Hilfe bei Aufmerksamkeitsdefizit/ Hyperaktivitätsstörung nach (z. B. MTA-CooperativeGroup 1999, Baving&Schmidt2001).  Vgl.: www.adhs-saar.de/resources/Parkinson+Spekulation-ein+Ger$C3$BCcht.pdf .

[53] Bundesärztekammer: Stellungnahme zur Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS), vom 26.08.2005 oder: BAnz. Nr. 181 (S. 3975) vom 30. November 2010: Bundesministerium für Gesundheit, Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: Anlage III Nummer 44 Stimulantien Vom 16. September 2010.

[54] RTL-Extra - Therapie ohne Psychopillen - Das Fazit: Sechs ADHS-Jungs einen Sommer auf der Alm (16.05.2011), war lange Zeit unter www.youtube.com/watch?v=GG6qLlZm518&feature=player_embedded. (15.06.2011) downloadbar.

[55] Zitate vgl. Videobeitrag „über das Projekt via nova“: www.sinn-stiftung.de/service/ueber-das-projekt-via-nova.html .

[56] www.sinn-stiftung.de/initiativen/lebenslernorte/index.html  (15.03.2013).

[57] www.spiegel.de/kultur/tv/zdf-philosophiesendung-mit-richard-david-precht-und-gerald-huether-a-852900.html.

[58] „Helmut Kaeding ist ein deutscher Softwareentwickler und bekennender Scientologe[1][2] aus Reinbek in Mecklenburg-Vorpommern.“ (http://psiram.com/ge/index.php/Helmut_Kaeding, 15.03.2013), vgl. auch: http://psiram.com/ge/index.php/Hans_Tolzin#Ritalin (15.03.2013). Für das Folgende: www.ritalin-kritik.de/artikel-methylphenidat-4.php (15.03.2013) und den entsprechenden Hüther-Original-Artikel: www.info3.de/ycms_alt/printartikel_700.shtml.

[59] vgl.  www.gerald-huether.de/populaer/ueber-gerald-huether/wofuer-ich-arbeite/index.php und www.lernwelt.at/downloads/huether_prof_dr_erklaerung.pdf  (25.02.2013)