Erzdiözese München und Freising
Fachbereich Weltanschauungsfragen
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Judentum

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Seit den Anfängen des Christentums spielt die Verhältnisbestimmung zur Ursprungsreligion eine prägende Rolle. Bis in die jüngste Neuzeit hinein mündete dies jedoch allzu oft nur in der Verleugnung und Bekämpfung der jüdischen Wurzeln des Christentums. Zeiten des fruchtbaren Austausches oder Beispiele für wertschätzenden Umgang miteinander bildeten die Ausnahme und können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Christen und Kirchen im Umgang mit dem Judentum der Botschaft und dem Auftrag Jesu nicht gefolgt sind. Als „Brunnenvergifter“ wurden Juden pauschal unter Verdacht gestellt, beleidigende Stereotype wurden immer und immer wieder kolportiert und über viele Jahrhunderte betete die katholische Kirche am Karfreitag für die treulosen ("perfiden") Juden, die den Messias ans Kreuz gebracht hätten.

Ein zunächst vorsichtiges Umdenken hat vornehmlich erst im 20. Jahrhundert in Theologie und Kirche Einzug gehalten. Nach den Schrecken des Holocaust und lehramtlich durch das 2. Vatikanische Konzil (1962-1965) hat sich bis heute seitens der römisch-katholischen Kirche eine deutlich andere Sichtweise auf die „älteren Geschwister“ durchgesetzt (vgl. Kirchenkonstitution Lumen gentium 16, Erklärung Nostra aetate 4). Ein gewandeltes Selbstverständnis, ein Neulesen der biblischen Grundlagen, eine grundsätzliche Anerkennung von Religionsfreiheit sind hierfür mitursächlich.

Diese neugewonnene Sichtweise wird allerdings von sehr unterschiedlichen Seiten in Frage gestellt.

Grund genug, hier einmal einige wichtige Grundpfeiler des christlich-jüdischen Verhältnisses aus Sicht der römisch-katholischen Kirche zu benennen:

Verurteilung jeglichen Antisemitismus

Bereits 1938, also vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, aber schon während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft, hatte Papst Pius XI. unmissverständlich verkündet: „Antisemitismus ist unvertretbar. In geistigem Sinne sind wir Semiten.“ Doch erst im Zuge des Konzils setzt sich die katholische Kirche ausführlicher und auch in theologischer Perspektive mit dem Antisemitismus auseinander. In der Konzilserklärung Nostra aetate, Nr. 4 (1965) verurteilt die katholische Kirche jede Form von Judenfeindschaft: „Im Bewusstsein des Erbes, das sie mit den Juden gemeinsam hat, beklagt die Kirche, die alle Verfolgungen gegen irgendwelche Menschen verwirft, nicht aus politischen Gründen, sondern auf Antrieb der religiösen Liebe des Evangeliums alle Hassausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgend jemandem gegen die Juden gerichtet haben.“

In Deutschland beginnt eine selbstkritische historische Aufarbeitung der Rolle der katholischen Kirche mit der Gemeinsamen Synode im Beschluss „Unsere Hoffnung“ (1975). Dort bekennt man aufrichtig und offen: „… wir waren in dieser Zeit des Nationalsozialismus, trotz beispielhaften Verhaltens einzelner Personen und Gruppen, aufs Ganze gesehen doch eine kirchliche Gemeinschaft, die zu sehr mit dem Rücken zum Schicksal dieses verfolgten jüdischen Volkes weiterlebte, deren Blick sich zu stark von der Bedrohung ihrer eigenen Institutionen fixieren ließ und die zu den an Juden und Judentum verübten Verbrechen geschwiegen hat“ (KuJ I, 245).

Am ersten Fastensonntag im Heiligen Jahr 2000 legte Papst Johannes Paul II. dann für die gesamte römisch-katholische Kirche ein Schuldbekenntnis ab, in dem sie bekennt und bedauert, dass nicht wenige Christen „gegen das Volk des Bundes und der Seligpreisungen“ Sünden begangen haben, und dieses deshalb um Verzeihung bittet: „Wir sind zutiefst betrübt über das Verhalten aller, die im Laufe der Geschichte diese deine Söhne und Töchter leiden machten. Wir bitten um Verzeihung und wollen uns dafür einsetzen, dass echte Brüderlichkeit herrsche mit dem Volk des Bundes“.

Die „älteren Brüder“ und der ungekündigte Bund

Lange Zeit wurde seitens katholischer Theologie und Kirche das Judentum als Religion betrachtet, das den Ruf Jesu Christi nicht gehört hatte. In der exklusiven Überzeugung, dass nur der gerettet werden kann, der sich ausdrücklich zu Jesus bekennt, wird die jüdische Religion faktisch irrelevant. Das Zweite Vatikanische Konzil erkennt dagegen unmissverständlich die bleibende Verwiesenheit der Kirche auf das Volk des Bundes an und vor allem auch die bleibende Erwählung des Volkes Israel. Mit Berufung vor allem auf den Römerbrief, Kapitel 9-11 überwindet man die jahrhundertelange „Substitutionstheorie“, wonach die Kirche als neues Gottesvolk das Volk des „alten Bundes“ ersetzt habe (manchmal ist auch von „Ersatztheologie“ die Rede). Papst Johannes Paul II. greift dann die Rede von den „älteren Brüdern“ und vom „ungekündigten Bund“ auf, um so die ewige und enge Verbundenheit zwischen Christen und Juden deutlich zu machen. Papst Franziskus schließlich spricht in seiner Enzyklika Evangelii Gaudium (2013) von einer „reichen Komplementarität“ (Nr. 249), die das Verhältnis von Kirche und Judentum kennzeichnet.

„Judenmission“

Die katholische Kirche betreibt heute aus ethischen wie aus theologischen Überzeugungen keine aktive Judenmission mehr:

  • Aus ethischen Gründen aufgrund der schuldhaften Geschichte: „Das Nein zur Judenmission gilt Juden als Testfall für die Glaubwürdigkeit kirchlicher Umkehr von den traditionellen Wegen der Judenfeindschaft. … Wenn Juden heute angesichts der zahlenmäßigen Asymmetrie zwischen Judentum und Christentum in der Judenmission, selbst wenn sie gewaltfrei ist, eine erneute Bedrohung ihrer religiösen Existenz nach Auschwitz sehen, muss dies von Christen zur Kenntnis genommen und theologisch bedacht werden.“ (Erklärung „Nein zur Judenmission – Ja zum Dialog zwischen Juden und Christen“ vom 9. März 2009 des Gesprächskreises „Juden und Christen“ beim ZdK, 1f)
  • Aus theologischen Gründen, da ein grundlegender Unterschied besteht zwischen dem Volk des Bundes und den „Völkern“: „Als Christen können wir das Judentum nicht als eine fremde Religion ansehen, noch rechnen wir die Juden zu denen, die berufen sind, sich von den Götzen abzuwenden und sich zum wahren Gott zu bekehren (vgl. 1 Thess 1,9). Wir glauben gemeinsam mit ihnen an den einen Gott, der in der Geschichte handelt, und nehmen mit ihnen das gemeinsame offenbarte Wort an.“ (Papst Franziskus, Evangelii Gaudium, Nr. 249). Nach Aussage der Französischen Bischofskonferenz von 1973 hat die Sendung der Kirche innerhalb der Mission Israels an die Völker ihren Platz. Eine Stellungnahme der Arbeitsgruppe „Fragen des Judentums“ der Ökumene-Kommission der DBK vom 10. Februar 1992 zum 500. Jahrestag der Vertreibung der Juden aus Spanien am 31. März 1492 stellt klar, dass auf der Grundlage des Glaubens an den „nie gekündigten Bund“ „eine ‚Judenmission’ theologisch nicht mehr vertretbar ist“( KuJ II, 382).

Nebenbemerkung: Der Verzicht auf aktive Mission in der Begegnung mit Juden schließt ein Zeugnisgeben in Wort und Tat nicht aus. Vielmehr erfordert ein echter Dialog dieses Zeugnis, denn nur wenn man sich selbst und seinen Glauben ernst nimmt, kann man auch offen und ohne Angst auf den anderen und dessen religiöser Überzeugung zugehen. Den anderen in seinem Anderssein anerkennten, bedeutet jedoch, ihm in einer angemessenen Haltung zu begegnen, das heißt ohne jeden Triumphalismus.

Existenzrecht Israels – Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser

1993 wurde ein Grundlagenabkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Israel geschlossen, das 1994 zur Aufnahme offizieller diplomatischer Beziehungen und zur kirchlichen Anerkennung des Existenzrechts Israels im völkerrechtlichen Sinne führte, ohne dieses jedoch theologisch (Stichwort: Landverheißung) zu begründen. Gleichzeitig hat die katholische Kirche stets die israelische Siedlungspolitik kritisiert und am Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser festgehalten.

Andreas Renz
Axel Seegers
März 2015

 

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(Der Deutsche KoordinierungsRat vertritt als bundesweite Vereinigung diese Gesellschaften auf nationaler und internationaler Ebene. Er ist größtes Einzelmitglied im Internationalen Rat der Christen und Juden (ICCJ), in dem 32 nationale Vereinigungen für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit vertreten sind)


Gesprächskreis "Juden und Christen" beim Zentralkomitee der Deutschen Katholiken ZdK
http://www.zdk.de/organisation/gremien/gespraechskreise/gespraechskreis-juden-und-christen-beim-zdk

Verein zur Förderung des christlich-jüdischen Gesprächs in der Evang.-Luth. Kirche in Bayern e.V.
http://www.bcj.de – unter dem Menüpunkt „Materialien“ BCJ-Arbeitshilfen für Gottesdienst, Unterricht und Gemeindearbeit

Speziell zum Thema Holocaust/Shoa, Nationalsozialismus, Konzentrationslager

Katholische Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte Dachau
PR Ludwig Schmidinger
Alte Römerstraße 75,  85221 Dachau
Telefon:  08131 / 32 17 31
Email:  LSchmidinger@eomuc.de
Homepage:  www.gedenkstaettenseelsorge.de

KZ – Gedenkstätte Dachau
www.kz-gedenkstaette-dachau.de – Infos zur Geschichte des KZ Dachau und Material zur Vor- und Nachbereitung von Gedenkstättenbesuchen

Projekt „Gedächtnisbuch für die Häftlinge des KZ Dachau“
www.gedaechtnisbuch.de – Projekt „Gedächtnisbuch für die Häftlinge des KZ Dachau“ mit Einladung zur Erarbeitung von Häftlingsbiographien mit regionalem Bezug, einige Biographien online, Wanderausstellung „Namen statt Nummern“ mit einer Auswahl der
Gedächtnisbuchbiographien buchbar.

 

Literatur in Auswahl

  • Alsleben-Baumann, Claudia. 2014. Synagoga – Typologien eines christlich-kultivierten Antijudaismus: Einsichten und Auswege im Fokus anamnetischer Religionspädagogik. Peter Lang, Frankfurt.

  • Henrix, Hans Hermann / Kraus, Wolfgang (Hg.). 2001. Die Kirchen und das Judentum. Dokumente von 1986-2000, Paderborn (KuJ II).

  • Metz, Johann Baptist. 2006. Memoria Passionis. Ein provozierendes Gedächtnis in pluralistischer Gesellschaft, Herder, Freiburg/Basel/Wien.

  • Pfister, Stefanie. 2008. Messianische Juden in Deutschland: Eine historische und religionssoziologische Untersuchung. LIT. Münster.

  • Rendtorff Rolf/Henrix Hans Hermann (Hg.). 32001. Die Kirchen und das Judentum. Dokumente von 1945-1985, Paderborn (KuJ I).

  • Renz, Andreas. 2014. Die katholische Kirche und der interreligiöse Dialog: 50 Jahre „Nostra aetate“: Vorgeschichte, Kommentar, Rezeption. Kohlhammer. Stuttgart.

  • Rucks, Hanna. 2014. Messianische Juden. Geschichte und Theologie der Bewegung in Israel, Neukirchener Verlagsgesellschaft. Neukirchen-Vluyn.

  • Sekretariat der DBK (Hg.). 22008. Leitlinien für das Gebet bei Treffen von Christen, Juden und Muslimen. Eine Handreichung der deutschen Bischöfe (Arbeitshilfen Nr. 170), Bonn.
    vgl. www.dbk.de