Erzdiözese München und Freising
Fachbereich Weltanschauungsfragen
Informationen zu religiösen und weltanschaulichen Strömungen

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Sri Chinmoy, Oneness-World, World Harmony Concert

Am 17. September 2005 fanden im Zenith in München zwei Konzerte des 1931 in Indien geborenen Gurus Sri Chinmoy (bürgerlich: Chinmoy Kumar Ghose) statt. Schon Wochen vorher wurde mit großem Eifer der Anhänger im ganzen Stadtgebiet von München Plakate aufgehängt und Handzettel verteilt. Als Veranstalter trat die „World Harmony Concert Tour 2005“ in Erscheinung, die ihr Büro am Partnachweg 1 in 86165 Augsburg hat. Karten für die Konzerte konnten u.a. bei Oneness-World in der Kreuzstrasse und SEWA in der Schützenstrasse bzw. in der Lindwurmstrasse besorgt werden, also in Geschäften, die von SriChinmoy-Anhängern betrieben werden. Der Eintritt für das Konzert war wie immer frei.

Wer ist Sri Chinmoy?

Der ehemalige Schüler des Aurobindo-Ashrams ist Gründer und Leiter der internationalen Sri-Chinmoy-Organisation. Im Mittelpunkt seiner Weltanschauung steht ein religiöser Evolutionismus, wo mit Hilfe der Meditation die individuelle und kollektiver Entwicklung gefördert werden soll. Ausgehend von den USA ist die Bewegung seit Mitte der 70er Jahre auch in Europa missionarisch tätig. Angereichert mit allgemein geschätzten Begriffen wie Harmonie, Friede und Erweckung bilden Vorträge, Einführungen in Meditation, Friedenskonzerte und Sportveranstaltungen die Schwerpunkte der Werbung.

Es ist daher auch nicht verwunderlich, wenn sportliche, künstlerische und religiöse Höchstleistungen in großer Regelmäßigkeit von Sri Chinmoy berichtet werden. So habe er etwa im Jahre 2004 in New York eine Yacht von 2.250 kg höchstselbst gestemmt oder – um wohl seine Ausdauer unter Beweis zu stellen – nacheinander drei Sportflugzeuge und einen Hubschrauber hochgehoben (Gesamtgewicht: 7,2 Tonnen). Auch in unserer Region veranstalten die Anhänger (intern Girls und Boys genannt, nach außen hin als Disciples bekannt) so genannte Weltfriedensläufe, welche die Teilnehmer dazu in die Lage versetzen helfen, über sich selbst hinaus zu wachsen, um letztlich selbst göttlich zu werden. Sri Chinmoy behauptet folgerichtig von sich, das Gottesbewusstsein vollkommen in sich verwirklicht zu haben. Dieses Gottesbewusstsein gilt ihm als Quelle dieser grenzenloser Spitzenleistungen.

Von den Anhängern wird kolportiert, Sri Chinmoy habe schon mehrere Tausende von Bildern gemalt und mehrere Millionen von Zeichnungen auf Papier gebracht. Auch musikalisch und literarisch sei er ebenso erfolgreich: Tausende von Liedern hat er verfasst und bis zu 150 Instrumente spielt er eigenhändig in einem einzigen Konzert! In seinen Meditationskursen wird den Schülern beigebracht, wie man zum Erlebnis der Einheit gelangen kann und das bloß menschliche Bewusstsein verwandeln kann in ein göttliches Bewusstsein.

Angesichts dieser dreisten Wichtigtuerei darf es nicht verwundern, wenn sich Sri Chinmoy auch schon als „Director of the United Nation Meditation Group“ bezeichnet hat.

Boys and Girls

Die Anhängerschaft von einigen Hundert in Deutschland dürfte wohl besonders von der Idee fasziniert sein, mit Hilfe einer bestimmten Meditationstechnik den Weg zu Idealen wie Selbstverwirklichung, Erfolg, Gesundheit und Weltverbesserung garantiert zu bekommen. Auffällig und im Gegensatz zur im Hinduismus üblichen Guruverehrung ist die intensive Bindung der Anhänger an Sri Chinmoy. In der meditativen Verschmelzen mit dem Guru wird das eigene Ich in den Guru hineinprojiziert und der Eigennamen „Chinmoy" als Mantra verwendet. Konsequent spiegelt sich die absolute Stellung des Guru in der totalen Gehorsamsforderung an die Schüler: „Fasst mein Verlangen von jetzt an bitte als göttlichen Befehl auf [...] Wenn ihr mir nicht gehorcht, revoltiert ihr gegen den Willen des Supreme [der höchsten Gottheit] in mir [...] Dann werdet ihr völlig verloren sein."

Verheiratete männliche Anhänger neigen dazu, zu ihrem „Girl“ auf Distanz zu gehen. Für ledige „Boys“ und „Girls“ wird sowieso vorausgesetzt, dass die Beziehung zum Meister jede andere Liebesbeziehung erübrigt. Strenge Regeln unter den Anhängern – zum Beispiel das Verbot, mit Disciples des anderen Geschlechts zu reden – sorgen dafür, dass die erotisch-mystische Liebe zum Meister durch keine anderen Liebschaften geschmälert wird.

Das Konzert

Im September 2005 tourte der Guru durch Deutschland und beglückte mit seiner Musik Menschen von Hamburg bis München, von Freiburg bis Dresden. Angepriesen wurde das Konzert u.a. mit dem Hinweis „ein unvergessliches Konzerterlebnis“. Der Besucher eines Konzertes führt dazu wie folgt aus: „Um es auf den Punkt zu bringen: Es war langweilig. Ein Instrument alleine auf der Bühne ist grundsätzlich schon schwierig. Es ist selten in der Lage zu überzeugen. Der Künstler muss schon ein Virtuose sein um den Spannungs-Bogen zu halten. Und Sri Chinmoy ist es nicht, schon gar nicht auf allen Instrumenten. Am ehesten noch auf der Sitar. Die Chöre waren "LALILA - kleine Blume"-mäßig, sein eigener Gesang rief hysterisch unterdrücktes Gelächter hervor. Die Spielkunst Chinmoy's erinnerte generell an Dadaismus-Experimente.
Willkürlich zusammengewürfelte Melodien ohne Struktur. Oder ist der westliche Mensch, ein Produkt der heutigen Spaß-Gesellschaft, nicht in der Lage diese komplexe Klangstruktur zu durchschauen? (...) Es hieß: "Das Konzert". Es hätte heißen sollen: "Langweilige Klang-Experimente zum Entspannen (...).“ In einer anderen Pressemitteilung hieß es schon vor Jahren, der Guru habe nach der Methode "Trail und Error" musiziert.

Wenn außerdem von „Tausenden Zuhörern“ die Rede ist, dann sollte man zum einen einmal genau mitzählen, zum anderen die Zuhörer abziehen, die vorzeitig das Konzert verlassen. Schließlich sollte man damit rechnen, dass überzeugte Anhänger mehrmals sich das Konzert „geben“ und mehr oder weniger organisiert von Ort zu Ort reisen.....

Der kundige Bibelleser wird bei den Kommentaren zum Konzert sicherlich an die Apostelgeschichte (Kapitel 20) erinnert: „Ein junger Mann namens Eutychus saß im offenen Fenster und sank, als die Predigt des Paulus sich länger hinzog, in tiefen Schlaf. Und er fiel im Schlaf aus dem dritten Stock hinunter .....“

Kritik

Die erotisch-mystische Fixierung auf den Guru Sri Chinmoy ist einer eigenständigen und reifen Persönlichkeitsentwicklung eher abträglich. Die grenzenlose Selbstverliebtheit und die maßlosen Übertreibungen machen Botschaft und Lebenswandel unglaubwürdig. Daher kann es nicht überraschen, wenn Aussteiger ihre Zeit in der Organisation mit den Worten umschreiben: „20 Jahre in der Sekte des Gurus Sri Chinmoy, das heißt 20 Jahre Unterdrückung, psychische Abhängigkeit, Sport, Meditation und Abstinenz von Genussmitteln und Sex.“ Die Vorwürfe, die in letzter Zeit gegen den Guru laut geworden sind und die zölibatäre Keuschheit in Frage stellen, sind nur noch das sprichwörtliche i-Tüpfelchen, dass die kritische Distanz bestätigt.

Axel Seegers

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