Erzdiözese München und Freising
Fachbereich Weltanschauungsfragen
Informationen zu religiösen und weltanschaulichen Strömungen

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Heil - Heilung - Heilungsgottesdienste

 

Bestimmungen zu Heilungs- und Segnungsgottesdiensten für die Erzdiözese München und Freising

Instruktion über die Gebete um Heilung durch Gott

 


Heil und Heilung

Interview mit Herrn Axel Seegers zum Thema "Heil und Heilung"
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Münchner Kirchenzeitung

MK: Sie beobachten eine Zunahme von zweifelhaften Wunderheilern. Können Sie das konkreter machen?

Seegers: Wir bemerken seit einigen Jahren, dass die Menschen in ihrer Sehnsucht nach Heil und Heilung stärker nach Hilfe suchen. Darum vervielfältigt sich auch das Angebot, sowohl im christlichen Bereich als auch außerhalb, besonders in der Esoterik. Vor kurzem war der kroatische Heiler Braco in Unterschleißheim und vorher schon in Garching, organisiert von dem so genannten Bruno-Gröning-Freundeskreis. Braco behauptet von sich, er habe so viel Liebe in sich, dass er die Menschen nur wortlos anschauen müsse und sie würden heil. Zu diesen »Sessions« kommen Tausende.

MK: Was zieht die Leute zu solchen Veranstaltungen?

Seegers: Das sind verschiedene Motive. Unsere Zeit wird immer unsicherer, man denke nur an die Finanzkrise, an den Klimawandel. Zudem wird unsere Gesellschaft immer unübersichtlicher, was dazu führt, dass viele sich einfache und klare Antworten wünschen. Dazu kommt der Wunsch nach andauernder und vollkommener Gesundheit.

MK: Warum ist das aus kirchlicher Sicht zu kritisieren?

Seegers: Körperliche Heilung und das Heil der Seele werden vermischt. Und den Umgang mit den Wünschen und Erwartungen der Menschen halte ich für absolut fragwürdig, wenn nach dem Motto »Wer zu mir kommt, der wird gesund« verfahren wird. In einem Text von Bruno Gröning heißt es: Unheilbar gibt es nicht. Das ist eine unmenschliche Aussage, weil sie einfach nicht stimmt. Zum menschlichen Leben gehört immer auch Scheitern, gehört die Sterblichkeit. Wenn Menschen wegen unhaltbarer Versprechungen notwendige Therapien abbrechen, dann wird es gefährlich. Der bereits 1959 verstorbene Bruno Gröning tritt quasi an die Stelle Christi, durch ihn soll das Heil vermittelt werden. Manche halten den oben erwähnten Braco für eine Art Wiedergeburt von Gröning.

MK: Der Zukunftsforscher Matthias Horx behauptet, therapeutische Religionen seien die eigentlichen Gewinner der religiösen Evolution. Vernachlässigt die Kirche die ganzheitliche Sicht des Menschen?

Seegers:
Auf kurze Perspektive mag Horx schon Recht haben, aber nicht auf Dauer. Schon vor Jahrzehnten hat der Theologe Eugen Biser das Christentum als therapeutische Religion bezeichnet und nicht als moralische Anstalt. Da müssten wir die Gewichte anders setzen. Nur ein Beispiel: An den theologischen Fakultäten in Deutschland fehlen Pastoral- und Religions-Psychologie weitgehend. Und die Skepsis in der Kirche gegenüber Psychologie und Medizin wächst meiner Einschätzung nach eher, als dass sie abnimmt.

MK: Die Evangelien sind voll von den Kranken-Heilungen Jesu. Wie kann man diese Botschaft für heutige Seelsorge fruchtbar machen?

Seegers: Die Heilungs-Berichte und auch die Teufels-Austreibungen sind Hinweise auf das anbrechende Reich Gottes. Da geht es nicht letztlich um unerklärbare Wunder-Heilungen, sondern darum, dass sich Jesus als der Messias erweist. Im Christentum könnten wir viele Elemente wieder beleben, vom Kreuzzeichen zu Hause über das Weihwasser in der Kirche bis zu einem neuen Verständnis der Beichte. Oder nehmen Sie die ganzheitlichen Angebote in Klöstern und das Gedankengut von Pfarrer Kneipp, das Körper, Geist und Seele zusammen sieht.

MK: Welche Entwicklungen besorgen den Weltanschauungsbeauftragten zudem?

Seegers: In einer Zeit, in der Menschen immer stärker gefordert sind, gehen sie meinetwegen zum Coaching oder bilden sich weiter durch »lebenslanges Lernen«. Aber auf diesem Markt gibt es eine ganze Reihe von »schwarzen Schafen«, die nicht weltanschaulich neutral bleiben und mehr versprechen, als sie halten können. Dann sind da unter dem Motto »Flucht in die Gewissheit« fundamentalistische Tendenzen in unserer eigenen Kirche, in den anderen Konfessionen und in der Gesellschaft zu beobachten. Auch das nimmt in unserer immer komplexeren Welt weiter zu.

Interview: Johannes Schießl

Axel Seegers (43) arbeitet als Weltanschauungsbeauftragter des Münchner Erzbistums.


Wörtlich

Im Vertrauen auf die Zusage, dass der Mensch mit allem, was ihn bewegt, zu Gott kommen darf, ist die Bitte um Gesundheit, Genesung und ganzheitliches Heilsein ein zutiefst nachvollziehbares menschliches Bedürfnis. Außerhalb von Pfarreien gibt es eine unüberschaubare Vielzahl von Segnungs- und Heilungsangeboten, die von Rat und Hilfe suchenden Menschen in Anspruch genommen werden. Neue Angebote kommen ständig hinzu und signalisieren, wie stark die Nachfrage ist nach Menschen, Gottesdiensten und Ritualen, die Mut und Beistand vermitteln, aber auch Hoffnung auf Heilung und Heil versprechen.

Aus den Bestimmungen zu Heilungs- und Segnungsgottesdiensten für die Erzdiözese
 
Münchner Kirchenzeitung, Ausgabe vom 09.10.2011