Erzdiözese München und Freising
Fachbereich Weltanschauungsfragen
Informationen zu religiösen und weltanschaulichen Strömungen

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Freiwilligendienste

Qualitätscheck Internationale Freiwilligendienste und Praktika

.... im Horizont von Religions- und Weltanschauungsberatung

Das Interesse von jungen Menschen an einem längeren Auslandsaufenthalt steigt stetig. Unsere Welt rückt immer näher zusammen. Die Möglichkeiten, mehrere Monate im Ausland zu verbringen, werden vielfältiger und sind immer einfacher zu realisieren. Nicht zuletzt vermittelt ein längerer Auslandsaufenthalt notwendige und in vielen Berufen nachgefragte Kompetenzen (Sprachkenntnisse, interkulturelle Kompetenz, Mobilität,…). Häufig ist das Interesse an einem Auslandsaufenthalt auch gepaart mit dem Anliegen, sozial aktiv zu werden und die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort zu verbessern. Dies lässt sich durch die Internationalen Freiwilligendienste oder durch Auslandspraktika im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitssektor sehr gut realisieren.

Freiwilligendienste wie Auslandspraktika werden sowohl von gemeinnützigen wie von kommerziellen Organisationen angeboten. Wie überall gibt es auch hier eine Vielzahl von hervorragenden Möglichkeiten, aber auch schwarze Schafe, die Unternehmungslust, Bildungsinteresse und Idealismus junger Menschen für eigene Interessen ausnutzen (z. B. zur eigenen Mitgliedergewinnung, zur Beschaffung von Finanzmitteln, zur Verbreitung des eigenen (ideologischen) Gedankenguts, ...).

Der Impuls für die Erarbeitung dieses Leitfadens entstand aus der Beratung von jungen Menschen, deren Praktikum oder Freiwilligendienst aufgrund mangelnder Vorbereitung/Begleitung oder eines wenig sinnvollen Konzeptes gescheitert ist sowie aus der Beratung von Angehörigen, deren Tochter/Sohn in einer als konfliktträchtig erlebten religiösen oder weltanschaulichen Gruppierung war. Nicht selten haben die betroffenen jungen Menschen aus solchen Kontakten sehr nachhaltige negative Erfahrungen bis hin zu Persönlichkeitsveränderungen ‚mitgebracht‘. Manchmal wurden junge Menschen sogar in Lebensgefahr gebracht. Doch nicht immer ist es gleich so dramatisch. Manchmal belastet die Situation, wenn Teilnehmende und Anbieter/Gastfamilien religiös und weltanschaulich lediglich nicht zusammen gepasst haben.

Schließlich fallen Anbieter auf, die mehr versprechen, als sie dann tatsächlich halten können. Die Ursache für ein Scheitern des Praktikums oder Freiwilligendienstes suchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer allerdings eher bei sich, als in der mangelnden Transparenz oder Kompetenz des Anbieters.

Die folgenden Fragen sollen dazu beitragen, in einem unübersichtlichen Angebot eine gute und zu einem selbst passende Organisation zu finden. Dazu ist der Fragenkatalog in drei Abschnitte unterteilt:

1. Was weiß ich von Anbietern, d.h. der Entsendeorganisation und worauf muss ich achten, bevor ich einen Vertrag unterschreibe?

2. Was wird von mir erwartet, wie werde ich vorbereitet und vor Ort begleitet?

3. Glossar und weitere Informationen, Adressen und Links

Die Entscheidung für das richtige Angebot ist sicherlich mit Aufwand verbunden.
Andererseits wissen wir, dass für unzählige junge Menschen ein Auslandsjahr mit zu den schönsten und wichtigsten Erfahrungen im Leben wurde. Diese Perspektive sollte die Mühe wert sein!

 

 1. Fragen an die Entsendeorganisation: Was weiß ich, worauf muss ich achten?

1.1 Was weiß ich über die Organisation? Woher kann ich Informationen beziehen?

  • Wer ist der verantwortliche Träger?
  • Handelt es sich um eine gemeinnützige oder eine kommerzielle Organisation?
  • Ist die Organisation Mitglied in einem größeren Verbund, einer umfassenden Organisation? Gehört sie einer religiösen Gemeinschaft an? Was weiß ich über diese Organisation?
  • Ist die Organisation in Deutschland ansässig?
  • Wo ist ihr Gerichtsstand?
  • Sind Informationen über Organisation und deren Angebote leicht zugänglich, transparent und verständlich? (Internetauftritt, Flyer, Informationsveranstaltungen)
  • Wirkt die Organisation bei Nachfragen auf mich seriös, z. B. durch gute Erreichbarkeit, Telefon mit Anrufbeantworter, klare und fundierte Auskünfte?
  • Hat die Organisation ein Gütesiegel erworben oder ist ein sonstiges Engagement im Bereich des Qualitätsmanagements zu finden?
  • Was berichten andere Teilnehmer über die Einsätze mit der Organisation?
  • Welche Erfahrungen gibt es mit der Organisation im persönlichen Umfeld? (Schule, Jugendarbeit, …)
  • Habe ich die Möglichkeit mit Ehemaligen in Kontakt zu treten (oder wird mir dies verwehrt)?

1.2 Welche Erfahrungen und Kompetenzen gibt es in der Organisation?

  • mit der Vermittlung und Begleitung von Teilnehmern im Ausland?
  • im Bereich der Jugendarbeit z. B. nach den Zielen des KJHG?
  • bei den (ehrenamtlichen) Mitarbeitern:
    • pädagogische Kompetenz
    • Kenntnisse der gesellschaftlichen und politischen Situation in den Aufnahmeländern
  • Ist die Organisation in ein Netzwerk für internationale Jugendarbeit oder weltanschaulich geprägte Jugendarbeit eingebunden, einem Freiwilligendienst oder einem Fachverband für Jugendreisen angeschlossen?

1.3 Zusammenarbeit der Entsendeorganisation mit Partnern, Partnerorganisationen und Partnerländern

  • Was sind Absicht und Motivation Praktikanten/Freiwillige zu entsenden und aufzunehmen?
  • Ist die Organisation auf dem Stand der entwicklungspolitischen Diskussion? Organisationen in Deutschland und Organisationen in Afrika, Lateinamerika oder Asien verstehen sich als Partner und nicht in einem Paten-Entwicklungs-Gefälle.
  • Greifen Freiwilligendienst und Praktika in das wirtschaftliche System eines Landes ein? Freiwilligendienste müssen arbeitsplatzneutral sein, da sie sonst den Menschen vor Ort Arbeits- und Existenzmöglichkeiten nehmen.
  • Werden die Ressourcen und Kompetenzen der Menschen vor Ort anerkannt und wertgeschätzt oder wird ein Bild des reichen, aufgeklärten und weit entwickelten Westeuropäers vermittelt, der in vermeintlich weniger entwickelten Ländern notwendige Entwicklungshilfe leistet?
  • Sind Patenschaften sinnvoll angelegt (z. B. auch dorf- und familienbezogen statt ein einzelnes Kind als einzig begünstigt auszusondern)?
  • Werden Kleidersammlungen und Kleiderverkäufe durchgeführt? Wenn ja, wie? Kleiderverkäufe können die heimische Industrie nachhaltig schädigen!
  • Werden Spenden für die Projekte akquiriert? Wenn ja, wurde ein Spendensiegel verliehen?
  • Welche Bilder vom Auslandsaufenthalt werden vermittelt? Idealisierte Bilder von Ferne und Abenteuer oder ein realistisches Bild, was Freiwillige in lateinamerikanischen, afrikanischen oder asiatischen Ländern erwartet?

Tipp: Um eine Organisation besser einschätzen zu können, kann manchmal auch ein Blick auf weitere Projekte der Entsendeorganisation - neben der Vermittlung von Freiwilligendiensten/ Praktika – hilfreich sein.

1.4 Passt das weltanschauliche Profil der Organisation zu mir?

  • Welche Bilder von Mensch, Gott, Welt und Religion/Weltanschauung stehen im Hintergrund der Arbeit im Heimatland und im Aufnahmeland? Welche Bilder werden in religiösen/weltanschaulichen Bildungseinheiten vermittelt?
    • ein realistisches Menschen- und Weltbild? (Menschen und Welt haben schöne und weniger schöne Seiten)
    • ein negatives oder gar rassistisches Menschen- und Weltbild? (Mensch ist Sünder, kann nur durch Bekehrung und/oder durch genau diese Kirche/Gruppe gerettet werde)
    • ein euphorisierendes bzw. technisches Menschen- und Weltbild? (mit der richtigen Methode ist alles möglich)
  • Ist das Gottesbild eher Angst machend oder befreiend? Wird eine Frohbotschaft verkündet oder eine Drohbotschaft?
  • Darf ich meine Religiosität frei entfalten oder habe ich blind zu glauben, was gelehrt wird? Sind Zweifel erlaubt? Darf ich Kritik äußern? (Bekenntnis)
  • Was ist der Schwerpunkt des Einsatzes: sozial, missionierend, evangelisierend …?
  • Welches Missionsverständnis steht dahinter? Bin ich tatsächlich davon überzeugt, dass Gott über Heil und ewiges Leben von Menschen allein nach Religionszugehörigkeit entscheidet? (Mission)
  • Sind mir die Gefahren für Leib und Leben von Missionseinsätzen in manchen muslimischen und asiatischen Ländern bekannt? Bin ich tatsächlich bereit, Leib und Leben von mir und anderen für einen Missionseinsatz zu riskieren?

1.5 Aufwand und Kosten

  • Erscheinen die Kosten realistisch oder überhöht?
  • Was ist im Preis inbegriffen? Welche Zusatzkosten gibt es?
  • Behält sich die Organisation vor, nach Vertragsabschluss Preise zu erhöhen oder Vertragsbedingungen zu ändern? ("jederzeitiges Änderungsrecht der Leistungen")
  • Stehen Vorbereitung, Auslandsaufenthalt und Nachbereitung in einem sinnvollen Verhältnis zueinander? Wie können gemachte Erfahrungen in das Leben integriert werden? (Vorbereitung)
  • Welche Leistung will der Freiwillige/ Praktikant für diesen Einsatz (auch an Vorbereitungsaufwand) bringen?
  • Es kann sich lohnen, Konzepte und Angebote verschiedener Organisationen nach Aufwand/Preis und Leistung zu vergleichen.

1.6 Vertragsklarheit

Folgende Vereinbarungen und Informationen sind im Vertrag zwischen Entsendeorganisation, Aufnahmeorganisation und Freiwilligem/Praktikant verbindlich zu regeln:

  • Partner und Ansprechpartner im Heimatland und vor Ort (inkl. Adresse des Trägers des Auslandsdienstes, Adresse der Partnerinstitution vor Ort, Name und Erreichbarkeit eines Verantwortlichen (24 h/7 T).
  • Rechtlicher Status und klare Informationen über Kosten, Leistungen und Versicherungen (Organisation, Gerichtsstand).
  • Voraussetzungen für Ausreise v. a. in Bezug auf medizinische Vorsorgemaßnahmen (Impfschutz) und Sprachkenntnisse.
  • Gesamtdauer des Auslandsdienstes, Arbeitszeit, Freizeit und verbindlich geregelte unterstützende Bildungsmaßnahmen.
  • Möglichkeiten und Modalitäten der Konfliktregelung oder einer vorzeitigen Beendigung des Einsatzes. (Auch Rücktritt der Organisation vom Vertrag vor Einsatzbeginn!).
  • Der Vertrag ist schriftlich abzuschließen!
  • Weitere Erläuterungen zum Vertrag sollten auch in schriftlicher Form vorliegen.
  • Mündliche Vereinbarungen sollten protokolliert werden (können aber einen schriftlichen Vertrag nicht ersetzen!).
  • Ein Vertrag darf erst unterschrieben werden, wenn wirklich alle Fragen geklärt sind und man sich sicher ist, alle Aspekte des Programmes verstanden zu haben und akzeptieren zu können.

2. Was wird von mir erwartet, wie ist die Vorbereitung und Begleitung vor Ort?

2.1 Praktikum/Freiwilligendienst – eine realistische Perspektive?

  • Werden realistische Einsatzmöglichkeiten geboten? Kann das, was in Prospekten oder auf Internetseiten an Einsatzmöglichkeiten geboten wird, von Ungelernten wirklich verantwortlich getan werden?
  • Werden die Wirkungsmöglichkeiten realistisch beschrieben?
  • Wird dafür Sorge getragen, dass die Einsatzstelle für die Teilnehmer passt?
  • In welchem Land/an welchem Ort findet der Auslandsdienst statt?
  • Ist bekannt, an welcher Einrichtung der Auslandsdienst stattfindet und wer diese Einrichtung trägt und leitet?
  • Ist bekannt, in welchen Bereichen der/die Freiwillige in der Einrichtung mitarbeiten wird? Gibt es ein Stellenprofil bzw. eine Tätigkeitsbeschreibung der Praktikumstelle?
  • Hat der Einsatz/das Praktikum eine sinnvolle Länge (bei Überseeeinsätzen mindestens 6 Monate), damit der/die Freiwillige im Land ankommen, sich akklimatisieren, langsam an seine/ihre Aufgaben herangeführt werden kann, und der Einsatz hilfreich sein kann?

2.2 Klare Benennung der Voraussetzungen für Teilnehmerinnen und Teilnehmer

  • Gibt es eindeutige Teilnahmevoraussetzungen?
  • Ist das Auswahl- und Vorbereitungsverfahren in Deutschland geregelt und nachvollziehbar?
  • Wird geprüft, ob ein Interessent für die Aufgabe, das Aufnahmeland und das jeweilige Programm geeignet ist?
    • Persönliche Eignung, gute körperliche und psychische Gesundheit und Belastbarkeit
    • Motivation und Offenheit, Menschen anderer Kulturen anzuerkennen und deren Leben (zeitlich begrenzt) zu teilen (Bereitschaft zu einer einfachen Lebensweise)
    • Ausreichende Sprachkenntnisse (Sprachkenntnisse, Vorbereitung)

2.3 Vorbereitung und Informationspolitik

Welche Unterstützung leistet die Organisation bei Planung und Organisation des Auslandsaufenthalts und welche Informationen werden bereitgestellt?

  • Aufklärung über zu erwartende Kosten (Reisekosten, Lebenshaltungskosten, Sprachkurs, Visakosten, Impfkosten, Versicherungskosten, ggf. Programmkosten, ...)
  • Information über Zuschuss- und/oder Stipendiumsmöglichkeiten, zu erwartende Sachleistungen (z. B. Unterkunft und Verpflegung)
  • Unterstützung bei Visumsbeantragung
  • Unterstützung bei An- und Abreise
  • Unterstützung bei administrativen Fragen (Versicherungen, Kindergeld, …)
  • Unterstützung bei Abklärung der notwendigen medizinischen Vorsorgemaßnahmen (z. B. Unfallversicherung, welche (Folge)Schäden von Tropen- und Infektionskrankheiten inkludiert)
  • Unterstützung bei Krankheit, medizinischer Versorgung vor Ort, notwendigem Abbruch des Freiwilligendienstes/Praktikums, Krankenrücktransport, Leistungen im Todesfall
  • Sind Themen und Inhalte der Vorbereitung bekannt und plausibel für den Freiwilligendienst/das Praktikum?

2.4 Begleitung und Betreuung vor Ort

  • Ist eine Erreichbarkeit der Ansprechpartner durch die Organisation gewährleistet?
  • Gibt es einen 24-Stunden erreichbaren Ansprechpartner in Deutschland? Ist dieser Angehörigen zu Hause auch bekannt?
  • Ist die Versicherung mit einer Notfallnummer bekannt?
  • Gibt es eine fachliche Begleitung im Praktikum/Freiwilligendienst und eine persönliche Begleitung, die bei der Eingewöhnung hilft, für Fragen zur Verfügung steht, hilft, Erfahrungen beim Auslandsaufenthalt zu reflektieren und einzuordnen?
  • Sehen die Programmregeln kein Telefon- oder Besuchsverbot vor?
  • Gibt es eine begleitete Nachbereitung und Wiedereingliederung? Was passiert bei der Nachbereitung und profitieren auch die Teilnehmer davon?

Kurz Zusammengefasst: Welche Informationen habe ich?

Stellt die Organisation klare und übersichtliche Informationen zur Verfügung über den angebotenen Freiwilligendienst/das angebotene Praktikum, besonders in Bezug auf

  • weltanschaulichen Hintergrund und Einbindung, rechtliche Organisationsform,
  • Interesse und Ziel der Organisation,
  • Organisationsablauf und Verantwortung der Organisation,
  • die möglichen Tätigkeitsfelder im Einsatz,
  • die rechtlichen Voraussetzungen und Absicherungen,
  • die pädagogische (ggf. religiöse) Begleitung,
  • die finanziellen Bedingungen,
  • die Voraussetzungen zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst/einem Praktikum im konkreten Einsatzland,
  • die Auswahlkriterien,
  • die Zulassung und Ablehnung von Bewerbern,
  • klare Richtlinien als Wegweiser für Aufnahme/Partnerorganisationen,
  • kontinuierliche Kommunikation zwischen Entsendeorganisation und Aufnahmeorganisation/Projekten vor Ort?

Last but not least: Welche Erwartungen werden von der Organisation geweckt und halte ich es für realistisch, dass diese erfüllt werden können?

3. Glossar und weitere Informationen, Adressen und Links

Autoren

Marianne Brandl, Fachbereich Weltanschauungsfragen im Ordinariat Regensburg
Sr. Irene Weber (SAC), Verantwortliche im Programm Missionare/Missionarinnen auf Zeit Deutschland
Doris Bose, Fachbereich Internationaler Freiwilligendienst im Erzbischöflichen Ordinariat München
Axel Seegers, Fachbereich Weltanschauungsfragen im Erzbischöflichen Ordinariat München

Stand: Juli 2014