Erzdiözese München und Freising
Fachbereich Weltanschauungsfragen
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DeMoss-Stiftung / Kraft zum Leben

Anfang 2002 macht bundesweit eine Missions-Kampagne mit großflächigen Plakaten und Werbespots in den Medien auf sich aufmerksam, die sich "Kraft zum Leben" nennt. Bekannte Persönlichkeiten wie Paulo Sergio, Cliff Richard oder Bernhard Langer stellen sich hinter diese Aktion und empfehlen das kostenlos erhältliche Buch.

Leider wird bei dem ganzen Medienrummel, den die Aktion betreibt, zunächst verschwiegen, welche Kräfte dahinter stehen. Erst nachdem die Kritik in Deutschland heftiger wird, kann sich die DeMoss-Stiftung zu einer notgedrungenen Pressekonferenz hier in Deutschland entschliessen.
Die in den USA weit verbreitete und schon lange bekannte Kampagne ist nämlich von der Arthur DeMoss-Stiftung initiiert, die dem christlich-fundamentalistischen Spektrum zuzuordnen ist. Arthur DeMoss war Versicherungsmakler und hat sich zum Ziel gesetzt, sein Vermögen für die Ausbreitung der christlichen Botschaft und christlicher Werte einzusetzen. Sein Sohn betreibt die christliche Medienagentur DeMoss-Group, der man einen großen Einfluss in den USA nachsagt. Beide Organisationen gehören dem rechtslastigen evangelikalen Milieu an, das geprägt ist von einem eher fundamentalistischen Bibelverständnis. Gesellschaft und Politik werden allzu leicht einem Schwarz-Weiß-Denken unterzogen, wobei die Maßstäbe, was gut und richtig, bzw. was böse und falsch ist, eher fragwürdig erscheinen.

Dieses gesteigerte Interesse an moralischen Fragen ("Was ist gut bzw. böse?") überdeckt zum einen andere wichtigere christliche Maßstäbe, zum anderen spiegeln die Antworten eine radikale Intoleranz gegenüber allen andersdenkenden Menschen wider. Michael Utsch von der EZW, Berlin führt hierzu an: "Es sind Leute, die sich intolerant verhalten, weil sie zum Beispiel homosexuelle Menschen diskreditieren, Abtreibungsbefürworter massiv unter Druck setzen, die Evolutionstheorie gänzlich ablehnen."

Die Stiftung, die hinter der Aktion "Kraft zum Leben" steht, versucht seit 1983 mit dieser Schriftenmission in den Vereinigten Staaten Menschen zu Gott zu bekehren. Das Buch, das in diesen Tagen in Deutschland kostenlos unter einer gebührenpflichtigen Rufnummer angepriesen wird, tauchte im Sommer 2001 das erste Mal als Übersetzung auf. Sowohl die Sprache als auch der inhaltliche Rahmen sind eher bescheiden. Nach verschiedenen Berichten über Bekehrungserlebnisse , werden vier Prinzipien angeführt, denen man zu folgen habe:

1. Gott liebt dich!
2. Der Mensch ist sündig!
3. Christus rettet den Menschen!
4. Jeder muss Christus persönlich annehmen!

Das Buch suggeriert gewollt oder ungewollt, dass sowohl Bekehrung als auch ein christliches Leben einfach gelingen könne - man brauche halt nur sein Leben nach diesen Prinzipien ausrichten. Es vermittelt einen Lebens- und Glaubensstil, der für deutsche Verhältnisse eher befremdlich wirkt. Verkürzt auf die persönliche Bekehrung werden zum einen wichtige Elemente christlichen Glaubens unterschlagen (z.B. Gemeinschaft der Glaubenden), zum anderen unterschlagen die einfachen Ratschläge die Mühen und Anstrengungen eines gelebten Glaubens: tagtäglich muss sich der Glaube immer wieder aufs Neue bewähren. Glaubenszweifel und Phasen der Müdigkeit gehören genauso zu einem lebendigen Glauben wie euphorische Erlebnisse.

Ein weiteres Problemfeld ergibt sich aus der Botschaft der Stiftung "Kraft zum Leben". Dem Leser wird nämlich suggeriert, das derjenige, der nur "richtig" glaubt und nach den moralischen Grundsätzen lebt, wie es hier propagiert wird, dass derjenige auch zwangsläufig Erfolg haben wird und glücklich durch das Leben kommt.
Dieses "Positive Denken" ist geprägt von der Verabsolutierung trivialer Alltagsweisheiten, gepaart mit moralischen Wertungen und spielt mit den Sehnsüchten des Menschen nach Liebe, Geborgenheit und Erfolg. Gerade in einer Zeit, wo die Anforderungen an den Einzelnen immer größer werden, wo die Belastungen und der Erfolgszwang sowohl im Wirtschaftsleben als auch im familiären Alltag die Suche nach einfachen Patentrezepten verstärkt, steigt die Nachfrage nach scheinbar einfachen Lösungen. Wer nach Lektüre bzw. mit der praktischen Umsetzung der Empfehlungen immer noch nicht erfolgreich und mit sich und seinem Leben glücklich und zufrieden ist, der hat - so der Umkehrschluss dieser Positiv-Denker - ganz einfach noch nicht richtig geglaubt, der ist noch nicht richtig umgekehrt, hat noch nicht die Prinzipien in die Tat umgesetzt.

Gegen die Botschaft von "Kraft zum Leben" ist daher unter anderem (!) aus verantwortungsvoller christlicher Sicht einzuwenden, dass die Bibel weder ein Buch mit Patentrezepten für jede Lebenssituation ist, das man nur aufzuschlagen und zu befolgen hat, noch ist das zugrunde liegende positive Denken besonders christlich, weil die Schuld immer beim "Leser" bzw. "Glaubenden" liegt, frei nach dem Motto: Wenn Du richtig glaubst und danach lebst, bist du glücklich und erfolgreich, bist Du aber nicht glücklich und nicht erfolgreich, dann glaubst Du (noch) nicht richtig und Dein Lebenswandel ist nicht "gottgefällig". Diese Grundaussagen sind in ihrer Konsequenz unmenschlich, auch und vor allem, weil sie die Komplexität des menschlichen Lebens und des Alltags verleugnen. Einfache Antworten mögen im ersten Augenblick hilfreich erscheinen und daher den einen oder anderen blenden - langfristig führen derartige Angebote in eine Sackgasse, die eher von Intoleranz, dualistischem Welt- und Menschenbild und Abhängigkeiten geprägt ist.

Sicherlich hätte man den finanziellen Einsatz sinnvoller und effektiver einsetzen können, als ein Land mit oberflächlichen Schriften zu überschütten.

Axel Seegers