Erzdiözese München und Freising
Fachbereich Weltanschauungsfragen
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Sexueller Missbrauch - was ist das?

Es sind unterschiedlichste Vorstellungen und auch Definitionen von sexuellem Missbrauch, Vergewaltigung etc. anzutreffen. Bereits die Anzahl an Begrifflichkeiten ist kaum zu überschauen, dazu gehören beispielsweise Inzest, sexuelle Ausbeutung, sexuelle Misshandlung, Seelenmord, sexualisierte Gewalt oder man spricht ganz allgemein von einer (sexuellen) Übergriffigkeit. Gerade mit Blick auf erwachsene Opfer wird der Missbrauch unterschieden von der sexuellen Nötigung respektive Vergewaltigung (früher auch „Notzucht“ genannt). Es ist nicht verwunderlich, dass es hier schnell zu Missverständnissen und womöglich auch ungerechtfertigten Vorwürfen kommen kann.

Unabhängig von diesen Differenzen ist den Begriffen jedoch gemein, dass bei diesen Handlungen ein Mensch zum Objekt degradiert und ihm Schaden physischer und psychischer Art zufügt wird.

Zudem spielt der normative Rahmen, den eine Gesellschaft oder Gruppe aufstellt, eine bedeutsame Rolle, da hierbei auch Grenzen und Grenzverletzungen festgelegt werden. Ein Verhalten kann also gruppenintern als völlig normal betrachtet werden, selbst wenn es außerhalb der Gruppe längst als missbräuchlich gilt. Diese selbstgewählten Regeln dürfen jedoch niemals zum Maßstab werden, auch wenn noch so viele Erklärungen angeboten werden!

Als Definition für sexuellen Missbrauch an Kindern sei die folgende vorgeschlagen:

Sexueller Missbrauch an Kindern ist jede sexuelle Handlung, die an oder vor einem Kind entweder gegen den Willen des Kindes vorgenommen wird oder der das Kind aufgrund körperlicher, psychischer, kognitiver oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann. Der Täter nutzt seine Macht- und Autoritätsposition aus, um seine eigenen Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen. (Bange & Deegener, 1996, S. 105)

Allgemeiner lässt sich der Begriff sexuelle Gewalt fassen:

 

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Unter sexueller Gewalt ist jede Verletzung der körperlichen oder seelischen Integritäten einer Person zu verstehen, die mit der Geschlechtlichkeit des Opfers und des Täters zusammenhängt und unter Ausnutzung eines Machtverhältnisses durch die strukturell stärkere Person zugefügt wird. (Hagemann-White, 1992, zit. nach Keller, 2014, S. 14)

Unter Vergewaltigung versteht man die Nötigung zum Geschlechtsverkehr oder ähnlichen erniedrigenden sexuellen Handlungen durch Gewalt, Drohung oder das Ausnutzen einer hilflosen Lage eines Opfers. (Richter-Appelt & Moldzio, 2004, zit. nach Keller, 2014, S. 14)

Juristisch bedeutsam sind in diesem Zusammenhang vor allem §§ 174 ff. StGB („Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“).

Missbrauch ist jedoch meist nicht auf die genannten Definitionen beschränkt. Zu den sexuellen Tatbeständen kommt häufig enormer psychischer Druck („Schweigegebot“), körperliche Verletzungen, Kriminalisierung oder pornographische Ausbeutung hinzu. Dies alles dient dazu, das Opfer weiter zu verängstigen und gefügig zu machen, damit es keine Hilfe sucht. Die weitere Erniedrigung, die das Opfer hierbei erfährt, dient nicht selten der Lust- und Machtbefriedigung des Täters. 

Meist hat man beim Thema Missbrauch eine klare Geschlechterverteilung vor Augen – männlicher Täter und weibliches Opfer. Doch obgleich dies die häufigste Begebenheit ist, sollte nicht übersehen und ggf. bedacht werden, dass nicht selten auch Jungen Opfer von Missbrauch werden. Gleiches kann für erwachsene Männer gelten – und ebenso können auch Frauen zu Tätern werden.

Warum dieses Thema?   -   Definitionen   -   Ein Thema des Schweigens   -   Ambulanz für Gewaltopfer

Quellen:

Bange, D. & Deegener, G. (1996). Sexueller Missbrauch an Kindern. Weinheim: Beltz PVU.

Hagemann-White, C (1992). Strategien gegen Gewalt im Geschlechterverhältnis. Bestandanalyse und Perspektiven. Forschungsberichte des BIS. Pfaffenweiler: Centaurus.

Keller, V. (2014). Sexuelle Traumatisierung. Psychotherapie im Dialog, 1, 14-15.

Richter-Appelt, H. & Moldzio, A (2004). Sexuelle Traumatisierungen: Sexueller Missbrauch – Folgen von sexueller Gewalt. In: G. Kockott & E.-M. Fahrner, Sexualstörungen, 77-78. Stuttgart: Thieme.